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LEICHTS Sinn: Auch das Volk kann sich irren Wenn es, wie in Dresden, nicht die richtige Wahl hat

Das kommt dabei heraus, wenn man das Volk „tümlich“ sein lässt. In Dresden hatte ein Bürgerentscheid festgelegt, dass trotz aller Bedenken östlich der Stadt und ihrer weltberühmten Stadtsilhouette eine Brücke geschlagen werden solle.

Das kommt dabei heraus, wenn man das Volk „tümlich“ sein lässt. In Dresden hatte ein Bürgerentscheid festgelegt, dass trotz aller Bedenken östlich der Stadt und ihrer weltberühmten Stadtsilhouette eine Brücke geschlagen werden solle. Das mag die gewählte Stadtregierung für blödsinnig halten, die Unesco mag den Entzug des Prädikats „Weltkulturerbe“ androhen – selbst das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden: Fiat vox populi, pereat mundus – Der Wille des Volkes geschehe, selbst wenn dabei zwar nicht die Welt, aber doch ein Teil ihres Kulturerbes untergeht.

Nun hängt die Legitimität demokratischer Verfahren (also auch der Bürgerentscheide) ja nicht davon ab, ob sie stets vernünftige Entscheidungen hervorbringen – sonst müssten wir ja den Parlamentsbetrieb weithin abschaffen. Aber auch die angeblich so urdemokratischen Volksentscheide bringen aus sich selber heraus weder die reine Vernunft zum Vorschein noch dürfen sie für sakrosankt erklärt werden. Es gibt durchaus gute Gründe für plebiszitäre Elemente im Verfassungssystem, sogar auf Bundesebene – sofern die repräsentativen und die plebiszitären Entscheidungswege klug miteinander verknüpft werden; und sofern die Voraussetzungen der Volksentscheide optimal geordnet sind. Das heißt im Einzelnen:

Erstens: Dem Abstimmungsvolk müssen die zur Entscheidung stehenden Fragen mit allen Gründen und Gegengründen vollständig vorgelegt werden. Grob vereinfachende, gar manipulierende Abstimmungszettel sind ebenso unzulässig wie Abstimmungen ohne umfassende Information und Diskussion.

Zweitens: Die Stärke der repräsentativen Verfassung tritt, trotz mancher Ritualisierung der Parlamente, immer noch zutage. Wer etwas durchsetzen will, muss nicht nur seine Gründe offenlegen, sondern er muss sich mit den Vertretern der Gegengründe auf gleicher Augenhöhe in einem geordneten Verfahren messen. Weil dieses förmlich-deliberative Element bei den meisten Volksentscheiden nicht zu realisieren ist, fährt man besser, wenn der Volksentscheid mit dem Parlament (oder Stadtrat) so verknüpft wird, dass sein Vorschlag nur zusammen mit einer (Gegen-)Vorlage der Wahlkörperschaft zur plebiszitären Abstimmung gestellt werden kann.

Drittens: Parlamentsentscheide sind korrigierbar, sofern sie noch nicht in Beton gegossen worden sind; und selbst dann kann man Unfug auch wieder abreißen. Weshalb sollten Volksentscheide von solchen Revisionen ausgeschlossen sein – vor allem dann, wenn sich beizeiten herausstellen sollte, dass sie unter falschen Voraussetzungen getroffen worden waren? Und genau diese Revisionsbedürftigkeit hat sich im Blick auf die geplante Dresdener Waldschlösschenbrücke inzwischen nur zu krass herausgestellt. Bisher war alle Welt von folgenden Annahmen ausgegangen: Erstens braucht Dresden eine zusätzliche Elbquerung – und zwar östlich der Stadt. Zweitens kommt dafür nur eine Brücke infrage; eine Untertunnelung der Elbe wäre viel zu teuer. Also müsse man – Unesco hin oder her – in den sauren Apfel beißen. Nun aber ist der Hamburger Architekt Volkwin Marg mit neuen Daten hervorgetreten. Marg hatte seinerzeit der Jury vorgesessen, die über die Brückenentwürfe zu entscheiden hatte – über etwas anderes als über eine Brücke hätten die Juroren allerdings auch nicht diskutieren dürfen. Nun aber legt Marg öffentlich Beweise dafür vor, dass eine Untertunnelung der Elbe wenn nicht billiger, so doch nicht wesentlich teurer wäre. Mit anderen Worten: Das eigentliche Ziel des Dresdener Volksentscheids – nämlich eine weitere Elbquerung, wie auch immer – lässt sich ohne schmerzliche finanzielle und kulturelle Kosten erreichen. Wenn das kein Grund ist, den Volksentscheid zu revidieren – zur Not durch einen (richtigen) Volksentscheid!

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