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LEICHTS Sinn: Frisch, fromm, fröhlich … … warum ich trotz allem Protestant bin und bleibe

In der vorigen Woche mühte sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sehr ab, zu sagen, was das heißt: „evangelisch sein“. Jetzt fragen mich meine Zeitgenossen: Sag’s doch mal selber!

In der vorigen Woche mühte sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sehr ab, zu sagen, was das heißt: „evangelisch sein“. Jetzt fragen mich meine Zeitgenossen: Sag’s doch mal selber!

Erstens: Eine evangelische Kirche kann nie selbstgerecht sein. Was heißt das? Mit Luther zu sprechen: Wir können uns – als Einzelne wie als Kirche – nie selber gerecht machen vor Gott. Wir können uns vor ihm und anderen nicht sehen lassen wegen unserer frommen Werke, unserer religiösen Fleißkärtchen, sondern allein mit leeren Händen, als ungerechte Sünder – also nur im vertrauensvollen Glauben an seine Gnade, die allein gerecht macht: simul iustus et peccator, als stete Sünder und dennoch als gerechtfertigte, also: freigesprochene Menschen.

Wenn die evangelische Kirche eine „Kirche der Freiheit“ ist, dann nicht etwa, weil jeder in ihr frei wäre, zu reden (und zu tun), was ihm so gefällt. Sondern sie ist eine „Kirche der Befreiung“, weil diese erfreuliche Botschaft uns befreit von jedem religiösen Leistungszwang, vom beklemmenden Zwang, den Sinn unseres Lebens und Sterbens aus eigener Kraft aufzubringen, von der furchtbaren Not, unser eigener Gesetzgeber, Richter und schließlich Henker zu sein.

Zweitens: Eine evangelische Kirche, die nicht selbstgerecht ist, ist eine bescheidene Kirche; nicht nur eine Kirche der Sünder, sondern selber durchaus Sünderin, die der Freisprechung bedarf. Was heißt das? Zum einen: Sie stellt sich als Kirche nicht zwischen Gott und die Menschen, sondern mitten unter die Menschen. Sie hat auf Erden eine Leitung aus menschlichem Recht, aber keine Hierarchie aus vermeintlich göttlichem Recht. Ihre Bischöfe und Pfarrer stehen Gott keinen Millimeter näher als alle anderen Kirchenmitglieder. Nicht weil wir Gott nahe stehen oder gar näher stünden als andere, sind wir auf evangelische Art Kirche, sondern nur dort, wo – und weil – Gott selber den Menschen nahe steht, ereignet sich volles Leben und überhaupt so etwas wie Kirche. Zum anderen: Die evangelische Kirche bekennt deshalb auch ihre eigenen Sünden (etwa im „Dritten Reich“, im Kolonialismus, in den Religionskriegen …) und schiebt sie nicht nur auf einzelne ihrer „Söhne“. Und nur aus der Einsicht in ihre eigene, oft erwiesene Fehlbarkeit kann sie eine ecclesia semper reformanda sein, eine Kirche, die weiß, dass sie ständig der Erneuerung, der immerwährenden Reformation bedarf und um sie bitten muss. (Sie fühlte sich seinerzeit also Papst Johannes Paul II. näher als all jene Kurialen, die ihn an einem umfassenden mea culpa der sündigen Kirche hinderten.)

Drittens: Eine evangelische Kirche, die nicht selbstgerecht sein kann und deshalb bescheiden bleibt, kann keine ausgrenzende Kirche sein. Was heißt das? Sie lädt (allerdings erst seit einiger Zeit, diese Sünderin!) alle Christen, also auch die anderer Kirchen, als Gäste zu ihren Gottesdiensten ein, auch zum Abendmahl – einladend, auf einnehmende Weise, aber nie vereinnahmend. Sie wird also diese Einladung nicht dadurch vergiften, dass sie sich etwas darauf einbildet, etwa nach Pharisäerart: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Kirchen …

Viertens: Eine bescheidene evangelische Kirche, welche die Versuchung zur Selbstgerechtigkeit bekennt und bereut, die einlädt, aber nicht ausgrenzt – sie wird dieses ihr bewusst niedriges, also dienstbares „Profil“ niemals hinausposaunen oder gar als öffentlich wirksames Schlagwort einsetzen, sondern demütig und fröhlich ihren Weg gehen, allein im Vertrauen auf Gottes Wort und Zusage. Einerseits in Sack und Asche, andererseits aber: frisch, fromm, fröhlich und – pardon: befreit.

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