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LEICHTS Sinn: Wenn Merkel schrödert …

… protestieren die Bischöfe – wie bei den Stammzellen. Zzwischen der Union und den Katholiken gibt es längst kein exklusives Bündnis mehr.

Wer unter einem brauchbaren Gedächtnis leidet, der kann sich nur wundern: Vor 21 Jahren erklärte der Kölner Kardinal Josef Höffner: „Das Tischtuch zwischen den Grünen und der katholischen Kirche ist zerschnitten!“ Jetzt aber erwecken die Bischöfe den Eindruck, es sei vielmehr das Tischtuch zwischen ihnen und der CDU zerfasert, wohingegen Bischof Gebhard Fürst erklärt, zwischen den Grünen und seiner Kirche gebe es gute Kontakte, weil bei denen die Ehrfurcht vor Leben und Schöpfung sehr stark ausgeprägt ist. Bei der CDU also nicht? Wer nur über ein schwächeres Gedächtnis verfügt, wird sich freilich daran erinnern, wie grüne Politiker jüngst über katholische Bischöfe hergezogen sind.

Es ist also noch zu früh, von dem zu sprechen, was man zu Zeiten Bismarcks ein renversement d’alliances nannte, einen Wechsel der Bündnisse. Aber zwischen der Union und den Katholiken gibt es längst kein selbstverständliches oder gar exklusives Bündnis mehr. Schon am Ende der sechziger Jahre war die SPD für die katholischen Milieus wählbar geworden, trotz der harschen Hirtenbriefe. Nun ist es gar so weit, dass die Bischöfe Hirtenbriefe nicht mehr für, sondern auch gegen die CDU schreiben müssen.

Das hat mit dem Stammzellbeschluss der jüngste CDU-Parteitag getan. Erst wenn man diese komplizierte Materie auf den entscheidenden Punkt verkürzt, wird deutlich, wie tief der Riss mental geht. Die bisher erlaubte Forschung an embryonalen Stammzellen ist an ihr Ende gekommen, weil die vor dem Stichjahr 2002 generierten Stammzelllinien unbrauchbar geworden sind. Nun hat die CDU dem Begehren zugestimmt, den Stichtag um fünf Jahre nach vorne zu verschieben, auf einen dann wiederum in der allerdings jüngeren Vergangenheit liegenden Zeitpunkt.

Ich selber stimme mit all denen überein, die sagen: Auch zum Zwecke hochrangiger Forschung darf menschliches Leben, auch erst sich heranbildendes Leben (übrigens, nebenbei: weshalb eigentlich tierisches doch?) nicht getötet werden. Embryonen allein zu dem Zweck zu erzeugen, sie hinterher zu zerstören, darf keinesfalls erlaubt werden. Gerade die Stichtagsregelung versucht, das zu verhindern, indem die zweckgerichtete Erzeugung und Tötung von Embryonen umgangen wird und die Forscher auf jene „überzähligen“ Embryonen verwiesen werden, die bei der Reagenzglaszeugung zur künstlichen Einleitung von Schwangerschaften anfallen. Da bleiben wahrlich genug ethische Dilemmata übrig, schon deshalb, weil die Kirchen aus ihrer kinderfreundlichen Haltung dieser Art der Fortpflanzung (mit ihren überzähligen Embryonen) nie scharf widersprochen haben. Jedenfalls werden diese überzähligen Embryonen nie zu vollem menschlichen Leben heranwachsen, sondern eines Tages irgendwie „entsorgt“ werden, ohne dass ein Priester sein Amen dazu spricht. Insofern ist es ungenau, wenn die Bischöfe sagen, sie wollten mit ihrem Nein zu einer veränderten Stichtagsregelung menschliches Leben schützen. Da gibt es nichts zu gedeihen und zu schützen … (Das ist ein Grund dafür, dass die evangelische Kirche hier differenzierter argumentiert.)

Weshalb aber das schroffe Votum der katholischen Bischöfe? Ich vermute, dass sie jetzt so scharf protestieren, weil sie schon den nächsten Tabubruch heraufziehen sehen. Gerhard Schröder hatte sich eine bioethische Diskussion „ohne ideologische Scheuklappen“ gewünscht. Seine Nachfolgerin, übrigens die erste Protestantin im CDU-Vorsitz (obwohl ich etwas spezifisch Evangelisches von Angela Merkel noch nicht artikuliert gefunden habe), liefert sie. Sie ist eben eher Naturwissenschaftlerin als Pfarrerstochter. In der Bioethik schrödert die CDU mit Merkels Nachdruck. Deshalb zürnen die Bischöfe.

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