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LEICHTS Sinn: Das Kreuz mit der Wahl

Für die SPD stimmen, damit Merkel regiert? Bei der kommenden Bundestagswahl steht der Wähler vor komplizierten Erwägungen.

Wie war das Wählen damals noch einfach gewesen: Da gab es rechts die Union, links die SPD und dazwischen die FDP. Man konnte also mit seiner Stimmabgabe auch die Regierung bestimmen, die man ins Amt bringen wollte. Man musste nur rechtzeitig erspüren, wohin die FDP tendiert – und auch das war bis 1969 kein Problem gewesen. Damals allerdings gab es ein böses Erwachen für jenes alte Mütterchen, das Hans-Ulrich Kempski seinerzeit in einer Wahlkampfreportage zitierte: Sie wähle immer die FDP, weil die ja auch immer für Adenauer stimme; der aber war da schon seit sechs Jahren nicht mehr im Amt und seit zwei Jahren tot gewesen. Und die FDP stimmte für Brandt…

Heute, 40 Jahre später, steht der Wähler vor viel komplizierteren Erwägungen, wenn er an der Urne nicht nur eine Parteipräferenz zum Ausdruck bringen, sondern auch noch mitbestimmen will, welches Regierungsbündnis das Land regieren soll. Nehmen wir also zunächst den bürgerlichen Wähler, der eine auch ordnungspolitische Ausrichtung bevorzugt: Der müsste, wegen des Schwankens der Union in diesen Fragen, eigentlich FDP wählen – um einer schwarz-gelben Koalition gewisse Korsettstangen einzuziehen. Dabei riskiert er allerdings, sollte es für Schwarz-Gelb nicht reichen, dass die Union geschwächt in eine Neuauflage der großen Koalition startet. Was aber, wenn ein Wähler gerade die Erneuerung des Bündnisses aus Union und SPD wünscht? Gibt er seine Stimme der Union, nimmt er in Kauf, dass diese damit ein schwarz-gelbes Geschäft macht. Gegenwärtig müsste er wohl seine Stimme der SPD geben, obwohl diese gerade aus der großen Koalition, so sagt sie es wenigstens, heraus möchte – denn was die SPD sonst noch will (Rot-Grün, Ampel, Rot-Rot-Grün – aber pardon, das will sie ja überhaupt nicht, noch nicht...) wird sie angesichts ihrer derzeitigen Schwäche eh nicht erreichen. Aber die SPD wählen, weil man von Angela Merkel weiterhin regiert werden will?

Wie immer auch man diese taktischen Gedankenspielchen weitertreiben könnte – stets zeigt sich das eine: Auf die Regierung kommt es zwar an, aber die Regierung bestimmen nicht wir Bürger, sondern die wählt erst das Parlament – welches wiederum wir wählen, ohne dessen Fraktionen auf eine bestimmte Regierungsbildung verpflichten zu können. Vor Jahrzehnten konnte man sich dabei wenigstens noch in etwa auf die Koalitionsaussagen der drei hauptsächlichen Parteien verlassen. Aber selbst wenn man solchen Vorfällen wie bei der Hessen-Wahl des vorigen Jahres absieht, bei der die SPD versprach, sie werde nie mit der Linkspartei zusammengehen, um dann genau dies zu versuchen (ähnlich hatte sich die SPD schon 1994 in Sachsen-Anhalt verhalten), muss man doch zugeben, dass auch die Parteien sich solche klaren Aussagen angesichts der unübersichtlichen Lage gar nicht mehr leisten können. Je markanter Angela Merkel sagen würde, sie wollte (nur) mit der FDP regieren, umso mehr Wähler, die sichergehen wollen, würde sie zu Westerwelle treiben – nur um dann doch geschwächt in vielleicht unausweichliche Verhandlungen mit der SPD eintreten zu müssen.

Was tun dagegen? Abhilfe gäbe es nur mit einer Wahlrechtsreform in Richtung auf ein Zwei-Parteien-System - aber die ist utopisch, seit die SPD zwischen 1966 und 1969 bemerkte, dass sie schneller mit einer umschwenkenden FDP als auf dem Wege einer Mehrheitswahl den Kanzler stellen könnte. Es bliebe nur ein Ausweg: Die nach einer Wahl gebildete Koalition muss sich anschließend in einer Volksabstimmung der Vertrauensfrage stellen. Aber das ist erst recht utopisch – wie jede einfache Lösung, nicht nur in der Politik.

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