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LEICHTS Sinn: Es gibt noch mehr als die Partei Politiker brauchen Erfahrungen im richtigen Leben

Irgendwann wird der neue Stuttgarter Bahnhof gebaut sein – aber was wird einstweilen aus Stefan Mappus, dem abgewählten Ministerpräsidenten? Manch einer wunderte sich, dass der kurzzeitige Regierungschef nun für einen Pharmakonzern nach Südamerika oder Asien gehen soll.

Irgendwann wird der neue Stuttgarter Bahnhof gebaut sein – aber was wird einstweilen aus Stefan Mappus, dem abgewählten Ministerpräsidenten? Manch einer wunderte sich, dass der kurzzeitige Regierungschef nun für einen Pharmakonzern nach Südamerika oder Asien gehen soll. Möglicherweise. Aber was sollte er sonst machen?

Der Soziologe Max Weber hatte zwischen zwei Modi der Politik unterschieden: Die einen leben für die Politik, die anderen leben von der Politik. Heutzutage müssen aber jene, die für die Politik leben, eben auch von etwas leben können. Die Zeit, in der nur vermögende Leute die Politik gewissermaßen als höheres Hobby betreiben konnten, ist längst passé.

So ergibt sich zwingend eine Reihe von Fragen: Wollen wir nur noch Berufspolitiker, die vom Eintritt in die Jugendorganisation einer Partei bis zu ihrem Ruhestand nichts anderes kennengelernt haben? Wenn nicht – wie stellen wir uns dann den Wechsel zwischen dem normalen Berufsleben und der Politik vor? Und: Welche Chance geben wir Politikern, die – freiwillig oder unfreiwillig – Amt und Mandat hinter sich lassen?

Bei solchen Erörterungen verweist man gerne auf die amerikanische Übung, derzufolge nach einem Präsidentenwechsel eine große Zahl von Amtsträgern in jene Welt der Universitäten und Finanzinstitutionen zurückwechselt, aus denen die nächste Regierung ihrerseits viele Kapazitäten rekrutiert. Das Beispiel einer Präsidialregierung, in der der Staatschef – der allein den gesetzgebenden Kammern gegenübersteht – sich seine wichtigsten Mitarbeiter ziemlich frei auswählen kann, Zustimmung des Senats vorausgesetzt, lässt sich nicht auf unsere Verhältnisse übertragen. Im Übrigen stellt sich nach dem Ausbruch der Finanzmarktkrise durchaus die Frage, ob dieser eingeübte Elitenaustausch tatsächlich immer dem Gemeinwohl nützlich war.

In Frankreich hingegen wechselten zwar seit jeher Spitzenfunktionäre zwischen Staats- und Wirtschaftsinstitutionen hin und her, nämlich jene ziemlich konform hochgezüchteten Absolventen der berühmten Grandes Ecoles; aber ob solche Spitzenbürokraten wiederum das richtige Personal für die unternehmerische Welt waren, konnte man immer wieder infrage stellen.

Hierzulande muss man nun unterscheiden. Da sind zum einen die Verbands-und Gewerkschaftsfunktionäre sowie die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die risikolos ein parlamentarisches Mandat wahrnehmen können – und dabei eigentlich nur ihren Funktionärsstatus ein wenig verändern, weil sie jederzeit auf ihr altes Terrain zurückkehren können; doch dies sind eben nicht unbedingt die Leute, die sich auf der freien Wildbahn behaupten konnten und mussten. Nur eine Minderheit unserer Politiker hat sich zuvor beruflich anderweitig so bewähren können, dass sie auch ohne Politik erfolgreich dastand und auf eigenes Risiko gewirtschaftet hat. Wie fremd diese Welten einander sind, kann man freilich auch daran erkennen, dass nicht wenige unter den wenigen, die von dort in die Politik gefunden haben, ziemlich schnell gescheitert sind; dies auch deshalb, weil die politischen Prozesse zuweilen so absurd verlaufen, dass kein normaler Mensch sich darin zurechtfinden kann oder will.

Immerhin erlebten wir nun in jüngster Zeit eine Reihe von Amtsträgern, die in der späten Mitte ihrer Laufbahn die Politik überraschend an den Nagel gehängt haben, aus welchen Gründen im Einzelnen auch immer. Vielleicht lockern solche Fälle sogar die Verkrustungen ein wenig auf. Denn wenn es, zwar nicht oft, aber immer öfter ein Leben nach der Politik gibt, könnte man ja auch an ein Leben vor der Politik denken. Schon deshalb sollten wir Stefan Mappus jetzt die Daumen drücken.

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