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LEICHTS Sinn: Rechtsstaat geht anders! Gerade in der Stasi-Behörde will man ihn verbiegen

Nehmen wir an, eine Großbank sei irritiert gewesen über eine große Zahl von unaufgeklärten Einbrüchen in ihren Filialen. Daraufhin beschließt sie, eine Reihe von erfahrenen Ex-Bankräubern einzustellen, um sich besser zu wappnen.

Nehmen wir an, eine Großbank sei irritiert gewesen über eine große Zahl von unaufgeklärten Einbrüchen in ihren Filialen. Daraufhin beschließt sie, eine Reihe von erfahrenen Ex-Bankräubern einzustellen, um sich besser zu wappnen. Nach zwanzig Jahren allerdings kommt ein neuer Vorstandsvorsitzender und verlangt: „Raus mit den Knackis, meine Kunden können deren Präsenz nicht länger ertragen.“ Was würde wohl der Arbeitsrichter dazu sagen? „Was, erst soll die Erfahrung im Milieu die entscheidende Einstellungsvoraussetzung gewesen sein – und jetzt eben diese Einstellungsvoraussetzung zum Kündigungsgrund werden?“ Hohnlachend würde der Richter den Bankchef abweisen.

Und was soll anders sein, wenn jetzt eine Reihe von Bediensteten der Stasi-Unterlagenbehörde gegen ihren Willen von dort entfernt werden soll – Leute nämlich, die vor 1989, also vor nunmehr 22 Jahren selber (untergeordnete) Mitarbeiter der Stasi gewesen waren und die gerade aus diesem Grund bei der damaligen Gauck- Behörde angestellt wurden – und die sich seither nichts haben zuschulden kommen lassen? Weshalb soll nun die Einstellungsvoraussetzung zum Abschiebungsgrund werden?

Anders ist zum Ersten, dass der neue Behördenchef Roland Jahn zwar starke moralische und moralisierende Ansichten hat, aber offenbar kaum vertiefte Einsichten in die gesetzlichen und prozeduralen Selbstbindungen eines darin moralisch handelnden Rechtsstaates. Anders ist zum Zweiten, dass hier der Staat (in Gestalt der Bundesregierung und der Behörde) nicht nur als Arbeitgeber auftritt, sondern zugleich in Gestalt von Bundestag und Bundesrat als Gesetzgeber, sodass in diesem Fall der Staat als Arbeitgeber glaubt, er könne – anders jene obige Bank – in Personalunion von Arbeitgeber und Gesetzgeber die Regeln selber nachträglich umschreiben, an die er sich gegenüber seinen Bediensteten zu halten hat. Folglich wurde am Freitag unter Umgehung einiger Anhörungsregeln ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz durch den Bundesrat gebracht, das unter anderem die Entfernung dieser vormaligen Stasi- Mitarbeiter aus der Behörde vorschreibt. Nun weiß schon jeder angehende Jurist, dass rückwirkende Gesetze mit Bestrafungswirkung kategorisch unzulässig sind, Maßnahmengesetze wie dieses außerdem auch. Zudem handelt es sich um ein klassisches „venire contra factum proprium“ - ein unerlaubtes Handeln gegen selbstgesetzte Tatsachen.

Ganz so obstinat wie der Behördenchef Roland Jahn waren nun die Juristen in der Gesetzgebungsmaschinerie auch wieder nicht, dass sie nicht erkannten, dass einer solchen Vorschrift die Verfassungswidrigkeit in grellen Farben auf die Stirn geschrieben stünde. Und folglich haben sie die Sache, anstatt sie in den Papierkorb zu befördern, in letzter Minute mit allerlei Klauseln verwässert: Die Betroffenen sollen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und sozialen Belange auf einen gleichwertigen Platz versetzt werden, wenn ihnen dies im Einzelfall zumutbar ist; dabei sind deren Interesse an einer gleichwertigen Arbeitssituation sowie deren persönlichen und familiären Umstände zu berücksichtigen: Wascht ihnen den Pelz, aber macht sie nicht nass!

Bringt man diese Klauseln auf einen Nenner, so wäre man ehrlicher gewesen, hätte man die Sache gar nicht aufkochen lassen und dem Herrn Jahn gleich gesagt: „Wenn sie freiwillig um Versetzung bitten – ok; gegen ihren Willen geht nichts. Jeder Richter würde dich auslachen.“ Nun aber schiebt man die Sache auf die Gerichte und hinterlässt ein fatales Mobbing-Potenzial: Man muss die Leute ja nur so lange nerven, bis sie diesen Job unzumutbar finden und jede andere Tätigkeit als zumutbar. Rechtsstaat geht anders!

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