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LEICHTS Sinn: Wie Missbrauch bekämpft werden kann

Es geht um Vorbeugung, nicht um Verjährung. Deren Sinn liegt nicht in einem dumpfen „Vergessen, Vergeben“ oder „Schwamm drüber“, sondern sie folgt strafprozessual in erster Linie aus den Beweisschwierigkeiten nach so langer Zeit.

Solange die Berichte über Missbrauchsfälle an Schulen und anderen Einrichtungen nicht aufhören, wird die Frage immer dringlicher: Was tun? Folglich wird auch die Debatte weitergehen, ob man für solche Delikte nicht auch die Verjährungsfrist verlängern oder ganz aufheben sollte. Mit Verlaub: Solche Spekulationen führen aufs falsche Gleis einer Scheinlösung.

Damit kein Missverständnis entsteht: Missbrauch (und Misshandlung) von Kindern und Jugendlichen sind besonders verwerflich, weil die Täter unter Ausnutzung ihrer Vertrauens- und Machtstellung die Schutzbefohlenen zutiefst verletzen, auch seelisch. Die Opfer brauchten oft sehr lange, bis sie über das ihnen Widerfahrene sprechen konnten. Das hat – zumindest in der Vergangenheit – die strafrechtliche Verfolgung der Täter erschwert oder gar blockiert. Also doch die Verjährungsfristen zumindest verlängern? Noch einmal: Nein!

Die Untaten, von denen heute nach und nach die Rede ist, liegen ganz überwiegend so lange zurück, dass sie nach geltendem Recht (leider) längst verjährt sind – und zwar endgültig; selbst nach einer Verlängerung der Verjährungsfrist käme man an diese Alt-Fälle nicht mehr heran. Will man aber künftigen Taten entgegenwirken, muss man Folgendes berücksichtigen: Die Verjährungsfrist (sie beträgt in den hier zur Rede stehenden Fällen teils zehn, teils 20 Jahre) setzt erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahr des Opfers ein, beträgt also – am Beispiel eines elfjährigen Missbrauchsopfers berechnet – effektiv 17 oder 27 Jahre. Nun liegt der Sinn der Verjährung ja nicht in einem dumpfen „Vergessen, Vergeben“ oder „Schwamm drüber“, sondern sie folgt strafprozessual in erster Linie aus den Beweisschwierigkeiten nach so langer Zeit, die nach einer Verlängerung oder gar gänzlichen Aufhebung der Verjährung nur größer werden können.

Vor allem aber: Es kann in der Hauptsache, nämlich der Vorbeugung und Abschreckung, kaum darum gehen, Taten, die heute begangen werden, nicht bloß im Jahre 2020 oder 2030, sondern auch noch im Jahre 2040 oder 2050 strafrechtlich ahnden zu können. Die Abwehrmaßnahmen müssen vernünftigerweise darauf zielen, dass solche Taten möglichst gar nicht erst begangen werden und – wenn dies in weit verringerter Zahl dennoch der Fall sein sollte – dass die Opfer sich möglichst bald einer Vertrauensperson offenbaren können, damit ein Strafverfahren möglichst früh und möglichst beweiskräftig stattfinden, die Strafe also auf dem Fuße folgen kann. Eine schnelle Strafverfolgung schreckt Täter viel wirksamer ab als das Bewusstsein, dass man sie irgendwann vielleicht auch noch im Altersheim „erwischen“ könnte.

Folglich müssen alle – kirchliche oder weltliche, private oder staatliche – Institutionen, in denen Kinder und Jugendliche betreut werden (Schulen, Sportvereine, Kinderchöre …), verpflichtet werden, entweder selber unabhängige Ombudsleute einzusetzen oder aber auf öffentlich-rechtlich bestellte Vertrauensleute zu verweisen, an die sich Kinder oder deren Eltern jederzeit wenden können. Fehlt es an solchen Angaben, können Eltern gleich einen Bogen um solche Einrichtungen machen. Und was wäre dagegen einzuwenden, dass Erzieher und Betreuer – hauptberufliche wie dauerhaft ehrenamtlich tätige – ihrem Arbeitgeber oder Auftraggeber künftig ein „erweitertes polizeiliches Führungszeugnis“ vorlegen sollten?

Gerade weil sexueller Missbrauch und gewalttätige Misshandlung auf Kinder und Jugendliche eine so traumatische Wirkung haben, muss man das Übel an der Wurzel bekämpfen – anstatt sich mit einer theoretisch denkbaren Bestrafung auch noch am St.-Nimmerleinstag einen weißen Fuß zu machen.

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