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Meinung: Lernfähige Killer

Antibiotika in der Tiermast gefährden den Menschen

Alexander S. Kekulé Im Krankenhaus können Mikroben genauso viel lernen wie im Saustall: Hier verschreiben Riesen mit weißen Kitteln so viele Antibiotika, dass Baktus und seine Kameraden bestens üben können, mit ihnen fertig zu werden. Dort manschen Zweibeiner mit grünen Gummistiefeln die Antibiotika ins Tierfutter, was für die Bakterien genauso lehrreich ist. Das Ergebnis in beiden Fällen: KillerKeime, gegen die selbst modernste Arzneimittel wirkungslos sind.

Die Krankenhäuser haben die Problematik dieser „Hospitalismus-Keime“ erkannt und versuchen, breit wirksame Antibiotika nur bei schweren Erkrankungen einzusetzen. In der Landwirtschaft dagegen werden nach wie vor Unmengen von Antibiotika nur deshalb verfüttert, weil es bequem und rentabel ist. Etwa die Hälfte des Antibiotika-Jahresverbrauches der EU von rund 12 000 Tonnen geht in die Tiermast. Der kleinste Teil davon dient der Behandlung von ernsthaft kranken Tieren, die zweifellos notwendig ist. Wenn Veterinär und Bauer die Vorschriften beachten, kommt es auch nicht mehr zu den gefürchteten Rückständen im Fleisch.

Das Problem ist jedoch, dass der Löwenanteil der Antibiotika an vollkommen gesunde Tiere verfüttert wird. Die Landwirte mischen sie zum einen als „Wachstumsförderer“ in geringer Menge ins Futter, weil durch die Reduktion der im Darm schmarotzenden Bakterien das Schlachtgewicht schneller erreicht wird. Zum anderen werden hoch wirksame Antibiotika kurzerhand dem ganzen Stall verschrieben, auch wenn nur einige wenige Tiere  erkrankt sind. Diese „Metaphylaxe“ ist ganz legal und wird nach dem für 1996 geplanten EU-weiten Verbot der Wachstumsförderer wohl noch zunehmen. Mit diesem Freibrief können etwa Geflügelfarmer das Trinkwasser für zehntausende Hühner mit Antibiotika versetzen, was als „Nebenwirkung“ zufällig auch wachstumsfördernd wirkt. Die Folge sind Salmonellen und Kolibakterien im Fleisch, die gegen die wirksamsten und modernsten Waffen der Humanmedizin resistent sind. Sogar die „Gyrasehemmer“, die als Notfallmittel bei schwersten Salmonellen-Infektionen dringend benötigt werden, dürfen tonnenweise ausgerechnet an Hühner verfüttert werden – deren Produkte sind die häufigste Ursache für Salmonelleninfektionen.

Einer aktuellen Studie zufolge sind etwa 70 Prozent aller Salmonellen bei Lebensmittel liefernden Tieren gegen ein, 50 Prozent sogar gegen mehrere Antibiotika resistent. Die Gyrasehemmer, vor kurzem noch Superwaffe der Intensivmedizin, sind bereits gegen ein Viertel der Salmonellen im Geflügel unwirksam. Im April berichteten Forscher aus Taiwan über eine Super-Salmonelle, die schlicht gegen alle bekannten Antibiotika resistent war und ihr Opfer vor den Augen der Ärzte in sieben Tagen dahinraffte. Ein fast genauso gefährlicher Salmonellen-Stamm wurde kürzlich in deutschem Putenfleisch entdeckt.

Der Ausstieg aus dem unsinnigen und gefährlichen Antibiotikaeinsatz in der Tiermast erfordert konsequente Hygienemaßnahmen, kleinere Stückzahlen pro Bereich, gute Belüftung in den Ställen sowie Ersatz der antibiotischen Wachstumsförderer durch Vitamine und gesunde Tiernahrung. Zweitens sollten Tierärzte nicht mehr Medikamente in großem Stil direkt verkaufen dürfen – dieses überkommene „Dispersionsrecht“ verschafft Veterinären, die kräftig Antibiotika verschreiben, satte Nebeneinkünfte. Beides wäre durch entsprechende Gesetzgebung erreichbar – doch dazu müssten Politiker genauso lern- und widerstandsfähig sein wie Salmonellen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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