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Meinung: Ärzte überschätzen ihre Bedeutung

„So wenig Pfleger wie nie – Gewerkschaften und Arbeitgeber besorgt: Erstmals weniger als 300 000 Vollzeitstellen in Krankenhäusern“ von Hannes Heine und Rainer Woratschka vom 19. Dezember Größer hätte der Kontrast nicht sein können: auf der einen Seite die „maßvolle“ Tarifforderung von zehn Prozent mehr des Marburger Bunds für die Klinikärzte, gleich daneben die Opfer, Pflegekräfte und Patienten.

„So wenig Pfleger wie nie – Gewerkschaften und Arbeitgeber besorgt: Erstmals weniger als 300 000 Vollzeitstellen in Krankenhäusern“ von Hannes Heine und

Rainer Woratschka vom 19. Dezember

Größer hätte der Kontrast nicht sein können: auf der einen Seite die „maßvolle“ Tarifforderung von zehn Prozent mehr des Marburger Bunds für die Klinikärzte, gleich daneben die Opfer, Pflegekräfte und Patienten. Bereits für die nach den Vorjahresstreiks erforderliche Aufstockung des Tarifbudgets für Krankenhausärzte von 15 Prozent im Jahr 2007 mussten Pflegende die Zeche zahlen, Gleiches ist nun wieder zu erwarten. Dass dabei die Versorgungsqualität bereits gefährlich gesunken ist und Patienten wie Mitarbeiter enorme Risiken und Lasten tragen, scheint keine Rolle mehr zu spielen.

Zur Argumentation der Ärzteschaft ist zu sagen: a) Die kontinuierliche Drohung, dass immer mehr deutsche Mediziner wegen unattraktiver Arbeitsplätze Deutschland verlassen, relativiert sich einerseits, wenn man genau nachzählt, wie viele später sehr gern und in der Regel mit der Aussicht auf gute Karrieren nach Deutschland zurückkehren. Andererseits gehört Deutschland im internationalen Vergleich zu den Ländern mit der höchsten Ärztedichte, was dagegen aber nicht gleichzeitig auch eine ebenso hohe Qualität in der Gesundheitsversorgung bedeutet. „Die jahrzehntelange Arztzentriertheit des deutschen Systems hat längst nicht überall auch die erforderliche Effizienz zur Folge“, sagt der Sachverständigenrat in seinem diesjährigen Gutachten. Und empfiehlt gleichzeitig dringend, die Aufgaben im Gesundheitswesen auf den Prüfstand zu stellen und jenseits traditioneller Hierarchien neu den Berufsgruppen zuzuschreiben.

b) Herr Henke vom Marburger Bund spricht von der „natürlichen Folge der erwünschten Leistungsverdichtung, dass der ärztliche Anteil tendenziell eher zunimmt, während der Anteil von Pflegepersonal zurückgeht“. Ob hier nicht vielleicht doch die Bedeutung der eigenen Berufsgruppe im Behandlungsprozess überschätzt wird? Was hat der Patient davon, wenn er nach allen Regeln der Kunst gut operiert wurde, dann aber niemand mehr da ist, der ihn fachgerecht pflegt und für das Leben nach dem Klinikaufenthalt fit macht? Internationale Studien belegen seit langem, dass zu wenig Pflegekapazität ein hohes Komplikations- und Morbiditätsrisiko mit sich bringt.

c) Alle namhaften Experten sagen, dass der Bedarf an professioneller Pflege in den nächsten Jahren enorm steigen wird. Gleichzeitig ist bereits heute der Pflegeberuf aufgrund der Arbeitsbedingungen so unattraktiv geworden, dass immer mehr Pflegekräfte aufgeben und sich kaum noch gute Schulabgänger für eine solche Ausbildung entscheiden. Mit Blick auf die künftige Versorgung der Bevölkerung müssten hier bei allen Verantwortlichen sämtliche Alarmglocken klingeln, leider ist davon bisher nichts zu vernehmen.

Johanna Knüppel, Berlin-Spandau

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