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Meinung: BESTEUERUNG VON PAAREN Warum wird die Ehe benachteiligt?

Unser Leser Markus Euler will das Splitting in seiner alten Form beibehalten. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen antwortet.

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Betrifft: „Mehr Schutz für Kinder“ im Tagesspiegel vom 4. Oktober 2002

Aus dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung lässt sich folgern, dass ein Ehepaar, bei dem ein Partner 60 000 Euro im Jahr verdient und der andere 20 000 Euro, nicht mehr Steuern zahlen sollte als ein Ehepaar, bei dem beide je 40 000 Euro verdienen. Allein dieses Ziel sicherzustellen, ist Aufgabe des Splittings. Dass es dennoch als Unrecht empfunden wird, liegt an einer dritten zu beachtenden Norm, dem Progressionsprinzip. Wenn es als gerecht angesehen wird, dass die Steuerbelastung mit steigendem Einkommen nicht nur absolut, sondern auch relativ ansteigt, ist es eine logische Konsequenz, dass ein unverheiratetes Paar mit 60 000 plus 20 000 Euro Einkommen zusammengerechnet mehr Steuern zahlt als das Ehepaar mit derselben Einkommensverteilung.

Eine bewusste Benachteiligung der Ehe ist ebenso wie ein Abrücken von der horizontalen Gleichbehandlung verfassungsrechtlich angreifbar. Die Ausweitung des Splittings auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ist, mit Ausnahme der eingetragenen Lebenspartnerschaften, jedoch auch nicht zu befürworten. Erstens böte dies neue Missbrauchsmöglichkeiten; zweitens bestehen hier, mit der genannten Ausnahme, keine Unterhaltsverpflichtungen, und drittens wäre dann noch weniger Geld für familienpolitische Maßnahmen vorhanden.

Markus Euler, Universität Mainz

Sehr geehrter Herr Euler,

es darf nicht sein, dass viele allein erziehende Mütter nicht arbeiten gehen können und in die Sozialhilfe abrutschen, weil es für ihre Kinder keine Betreuungsmöglichkeiten gibt. Gerade in den letzten Jahren ist deutlich geworden, wie wichtig die Kinderbetreuung für die Chancengleichheit der Kinder ist.

Die Erträge aus dem Abschmelzen des Splittings werden voll und ganz in Betreuungsmöglichkeiten gehen. Eltern müssen dabei die freie Wahl haben. Tagesmutter oder Tageseinrichtung, Waldkindergarten oder Elterninitiative, tags oder abends – dies bleibt in der Hand der Eltern.

Die stufenweise Einschränkung des Ehegattensplittings im oberen Einkommensbereich ist aus meiner Sicht verfassungskonform. Denn weder das Grundgesetz noch das Bundesverfassungsgericht schreiben eine konkrete Form der Ehegattenbesteuerung oder gar die Höhe eines absoluten Splittingvorteils vor. Daher wollen wir das Ehegattensplitting auch nicht abschaffen, sondern modernisieren, und zwar im Sinne einer Begrenzung des Splittings im oberen Einkommensbereich bei gleichzeitigen großen Einkommensunterschieden zwischen den Ehepartnern. 90 Prozent aller Ehepaare wären von unseren Vorschlägen gar nicht betroffen.

Ein solche Reform ist nach dem Gleichheitsgrundsatz keine Benachteiligung der Ehe. So wird vielmehr ein gewisser Ausgleich zu der existierenden Benachteiligung Lediger, allein erziehender und berufstätiger Frauen geschaffen. Jede und jeder soll leben wie er oder sie will, allerdings halte ich es nicht für eine Aufgabe des Staates, Hausfrauenehen im oberen Einkommensbereich stärker zu fördern als z.B. Paare mit zwei Einkommen mit unteren oder mittleren Einkommen, die Kinder haben. Kinderlose Ehen (und das sind heute rund ein Drittel) sind derzeit eben nicht anderen Lebensgemeinschaften „gleichgestellt", sondern bevorteilt. Und diejenigen gut verdienenden Ehen mit Kindern, welche unsere Vorschläge betreffen, profitieren weiterhin weit überdurchschnittlich von kindbezogenen Freibeträgen von mehreren Tausend Euro, welche sie über das Kindergeld hinaus als Steuererleichterung bekommen. Unsere Reform des Ehegattensplittings versucht hier einen Ausgleich zu schaffen.

Ihre Katrin Göring-Eckardt,

Parlamentarische Geschäftsführerin der

Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne

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