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Meinung: DEUTSCHLAND IM BOMBENKRIEG Im Einklang mit Goebbels?

Unser Leser Thomas Lubnau wirft Jörg Friedrich vor, deutsche Kriegsverbrechen gegen alliierte Bomben aufzurechnen. Der Autor antwortet

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Betrifft: Gibt es den gerechten Luftkrieg? vom 23. Dezember 2002

Jetzt ist dank Herrn Friedrich also endlich die Zeit reif, die Geschichte des 2. Weltkrieges neu zu schreiben. Der Krieg gegen die Sowjetunion diente nicht der Vernichtung der Zivilbevölkerung, weil man ja Arbeitssklaven brauchte. Die eigentlichen Kriegsverbrecher waren die „angloamerikanischen Terrorbomber“, wie bereits die Propagandamaschine von Goebbels feststellte. Leute vom Schlage des Herrn Friedrich bereiten denen das Feld, die die deutschen Kriegsverbrechen (und die sind unzweifelhaft bewiesen) kleinreden und leugnen, sie mit angeblichen Gräueltaten der Alliierten aufrechnen. Die deutschen Städte wären nicht in Schutt und Asche gelegt worden, wenn die große Mehrheit der Deutschen Hitler nicht bis in den Untergang gefolgt wäre. Die Briten und die Amerikaner haben in diesem Krieg Werte wie Freiheit und Demokratie verteidigt, und das mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie gingen davon aus, dass der strategische Luftkrieg den Krieg schneller beenden würde, was sicher ein Trugschluss war. Die Terrorangriffe gingen aber von Deutschland aus, es sei nur an den spanischen Bürgerkrieg, Warschau, Rotterdam und Coventry erinnert. Das sollte Jörg Friedrich bedenken, wenn er mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger durch die Lande zieht.

Thorben Lubnau, Berlin-Rudow

Zu den Befreiten des Befreiungskrieges der Anti-Hitler-Koalition zählte die russische Zivilbevölkerung. Sie opferte in den drei Jahren deutscher Besatzung etwa sieben Millionen Personen. Vier Jahre nach ihrer Befreiung verwandelten sich die Sowjet-Bürger vom Opfervolk Hitlers zum Tätervolk Stalins. Nach dem Kriegsplan des Nationalen Sicherheitsrates der USA von 1948 sollten die Städte des Stalinreiches in 30 Tagen von 300 Atombomben ausgelöscht werden, täglich 10. Der Vernichtungsschlag wäre erfolgt im Falle eines konventionellen Angriffs der Roten Armee auf Westeuropa und stellte eine militärische Notwendigkeit dar. Es existierten dort nämlich keine hinlänglichen Bodentruppen, die russischen Panzerarmeen zu stoppen. Der Westen befand sich 1948 Stalin gegenüber in einer ähnlichen Lage wie 1940 gegen Hitler. Man hatte keine Truppen aufgebaut für einen herkömmlichen europäischen Krieg, sondern nur die Waffen für einen Vernichtungskrieg gegen die feindlichen Wohn- und Arbeitsstätten.

Die Deutschen, bis 1945 als nazihöriges Verbrechervolk bombardiert, verwandelten sich fortan zu Angehörigen der Befreiungsmächte, um gegebenenfalls den Russen den Bolschewismus aus dem Leib zu bombardieren. Für problematisch galt hierzulande nur der Fall, dass amerikahörige Deutsche sojwethörigen Deutschen eine Bombenlektion hätten verabreichen müssen und umgekehrt. Selbstredend hätte dabei eine jede Seite die gegnerische Seite von ihrer jeweiligen Verbrechergesinnung befreit, vom Kapitalismus, vom Kommunismus und hauptsächlich vom Leben. Fazit: Die Masken der Verbrecher- und der Befreiungsmächte wechselten, das Bombenverfahren blieb konstant.

Zum Bombenverfahren gehört die moralische Konditionierung, Städtebewohner vom Säugling bis zum Greis der kollektiven Todesstrafe zu überantworten. Sie vergilt politischen Irrglauben, gleich, ob man ihm anhängt oder nicht, beseitigt Blockwart und Blockwartkind, Gulag-Insasse und Gulag-Kommandant. Selbst Göring wurde in Nürnberg bekanntlich nicht an die Wand gestellt, sein Todesurteil resultierte aus einem ordentlichen Beweisverfahren. Das Todesurteil etwa gegen die 75 000 Kindertoten des anti-hitlerischen Bombenkriegs – 45 000 Knaben und 30 000 Mädchen – resultierte aus militärischer Notwendigkeit. Dem entspricht die moralische Notwendigkeit, sie alle zu verstockten Befürwortern des Polenüberfalls und der Judenvernichtung zu deklarieren.

Hätte der Westen 1950 einen Sowjetüberfall in die norddeutsche Tiefebene binnen drei Wochen mit mehr russischen Ziviltoten vergolten als die Wehrmacht in drei Jahren verursachte, so würden diese damit den Befehl ihres Diktators Stalin gebüßt haben. Stalin hätte seinen Leuten die offensive Befreiung der Menschheit vom US-Imperialismus so eingebläut wie Hitler den seinigen die Befreiung vom Judäo-Bolschewismus. Wer angreift, ist Befreier und darf das. Die Befreiung vom Befreier darf erst recht alles.

Recht ist immer die Grenze der Gewalt, die der Stärkere ausübt. Der Stärkste ist der Bewaffnete, der Schwächste der Unbewaffnete. Im Zweiten Weltkrieg hat Krieg aufgehört, ein Gewaltaustausch der Krieger zu sein. Inzwischen sind über neunzig Prozent der Opfer von Waffenkonflikten Unbewaffnete, ein Zustand offenbarer Barbarei. Die Barbarei hat enorm viele Anhänger, sie sind leicht zu erkennen. Ihr Schlachtruf ist Zivilisation und Befreiung und ihr Werk die Eliminierung der Verbrecherseelen.

Jörg Friedrich ist Autor des Buches „Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945". Er hält in der Urania in Berlin am 7. Januar um 19.30 Uhr einen Vortrag.

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