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Meinung: DIE BÜRGERVERSICHERUNG Warum nicht eine Kasse für alle?

Unser Leser Horst Schaeffer schlägt eine steuerfinanzierte Grundversorgung vor. Karl W. Lauterbach, Mitglied der Rürup-Kommission, widerspricht.

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Zu: „Ärzte sollen sich der Konkurrenz stellen“ vom 29. Juli 2003

Die Bürgerkrankenversicherung ist ja eine ganz gute Idee, aber warum nicht gleich einen Schritt weitergehen?

Wozu brauchen wir die ganze Bürokratie, um die Beiträge einzusammeln? Warum wird die Krankenversorgung nicht gleich aus Steuermitteln bezahlt, wenn doch ohnehin jeder einen Anspruch auf angemessene Versorgung hat? Natürlich müssten die Steuern entsprechend erhöht werden.

Eine „Versicherung“ ist das ohnehin nicht, weil große Teile der Bevölkerung nicht annähernd einen kostendeckenden Beitrag zahlen.

Das Gleiche gilt übrigens für die Rentenversicherung. Wer kein Einkommen (mehr) hat, bekommt eine Grundversorgung aus Steuermitteln. Damit können wir auch gleich die Sozialhilfe und die Arbeitslosenversicherung abschaffen. Natürlich ist es jedem freigestellt, eine private Zusatzversicherung abzuschließen.

Dann wären wir auch nicht mehr weit entfernt vom „Bürgergeld“: Jeder Bürger bekommt ein Grundgehalt inklusive Krankenversorgung. Wer arbeitet, verdient zwar zusätzlich, bekommt aber entsprechend weniger Lohn oder Gehalt. Damit entfällt die gesamte Bürokratie der Beitragseintreibung, Anspruchsbemessung und Prüfung auf Berechtigung.

Natürlich erfordert das eine totale Umstrukturierung der Steuern, aber über kurz oder lang kommen wir um dieses Modell nicht herum. Die Politiker sollten sich lieber allmählich darauf einstellen.

Horst Schaeffer, München

Sehr geehrter Herr Schaeffer,

eine Bürgerversicherung wird häufig mit einer Einheitskasse verwechselt oder gleichgesetzt. Und in der Tat, wäre eine Einheitskasse das Ziel, so könnte man auf eine Beitragserhebung durch die Krankenkassen verzichten und das Gesundheitssystem über das Steueraufkommen finanzieren. Die Einheitskasse sollte aber als Ziel abgelehnt werden. Ohne Wettbewerb lässt sich auch im Gesundheitssystem weder Qualität noch Effizienz erreichen. Gibt es nur eine Krankenversicherung für alle, können nur sehr reiche Menschen eventuellen Qualitätsdefiziten oder Wartelisten durch private Bezahlung der Leistungen oder den Gang in das Ausland ausweichen. Für den normalen Bürger gibt es keinen Ausweg aus einer solchen Situation. Diese Form der ZweiKlassen-Medizin ist leider in England weit verbreitet, wo es eine klassische steuerfinanzierte Einheitskasse gibt.

Die Bürgerversicherung in Deutschland wäre ganz im Gegenteil eine sehr stark wettbewerblich ausgerichtete Versicherung, in der gesetzliche und private Krankenkassen einen zwar einheitlichen Leistungskatalog anbieten würden, jedoch bei der Zusammenarbeit mit Ärzten und Kliniken über direkte Verträge die Effizienz und Qualität der Versorgung mit beeinflussen könnten. In einem solchen Wettbewerb von 30 bis 50 Kassen gäbe es keinen Platz für die Monopole der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenverbände. Kliniken und Ärzte, die hohe Qualität böten, würden von den Krankenkassen bevorzugt. Risikoselektion der Kassen würde durch den Risikostrukturausgleich und die Aufnahmepflicht der Kassen für alle Versicherten ausgeschlossen. Ein Bürgergeld als „Grundgehalt“ für die Bürgerschaft würde, wenn es zur Vermeidung von Armut ausreichend hoch wäre, dazu führen, dass eine reguläre und steuerpflichtige Arbeit vielen Menschen Schwarzarbeit und Nicht-Arbeit unterlegen schiene. Die Steuersätze müssten sehr hoch sein, um ein solches Bürgergeld finanzieren zu können.

Karl W. Lauterbach ist Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln und Mitglied der Rürup-Kommission zur Reform der Sozialversicherungen.

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