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Meinung: DIE IRAK–KRISE Warum im Gleichschritt mit Bush?

Unser Leser Jochen Riekeles wirft dem Tagesspiegel vor, den drohenden Irak-Krieg einseitig zu kommentieren. Unser Redakteur Christoph von Marschall antwortet.

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Betrifft: Leitartikel „Saddams Sprengköpfe“ im Tagesspiegel vom 18. Januar 2003 von Christoph von Marschall

Obwohl der Leitartikel abwägend Argumente darbietet auch für ein Nein zum Krieg gegen den Irak, wird doch eine andere Orientierung gegeben: Schröders klares Nein vom Sommer, das sind für Herrn von Marschall „Sprüche“. „Realpolitik“ ist es, wenn jemand „die Möglichkeit zulässt, dass Amerika mit seinem Konzept nicht völlig falsch liegt – sondern rational und erfolgreich handelt wie in Bosnien, Kosovo und Afghanistan“.

Erneut diese Grundfigur der Berichterstattung und Kommentierung des Tagesspiegel, eine realistische deutsche Politik könne nur im Gleichschritt mit den USA gedacht werden! Diese Einseitigkeit ist empörend.

Haben nicht die Vereinten Nationen einen Mechanismus gefunden, wie mit dem Irak umzugehen sei: Sie lassen Waffeninspekteure prüfen und wollen sich im Licht der Ergebnisse erneut mit der Frage befassen. Bislang deutet nichts darauf hin, dass Hans Blix in seinem Bericht Argumente für einen Krieg aufbieten wird. Da stellt das anscheinend unbeirrbare Vorwärtspreschen der USA mit den Kriegsvorbereitungen eine klare Ignorierung des gefundenen Weges dar. Ist es nicht Aufgabe einer bedeutenden Tageszeitung, auf diesen Widerspruch deutlich hinzuweisen? Jochen Riekeles, BerlinZehlendorf

Sehr geehrter Herr Riekeles,

keineswegs bin ich der Meinung, deutsche Realpolitik könne nur im Einklang mit den USA gemacht werden. Und ebenso wenig, dass ein Irak-Krieg zum jetzigen Zeitpunkt gerechtfertigt ist. Ich bin für die UN- Rüstungskontrolle – und deshalb auch für den militärischen Druck. Der allein hat Saddam dazu gebracht, die Inspekteure wieder ins Land zu lassen. Sehen Sie einen anderen Grund? Das unterscheidet mich vom Kanzler, der diesen Druck in die Nähe von Kriegstreiberei rückt – ohne zu sagen, wie man Saddam anders zur Kooperation bringen kann.

Wie Sie bin ich der Meinung, dass der UN-Sicherheitsrat zu entscheiden hat, wie es weitergeht. Diesen Respekt erwarte ich von Bush und von Schröder. Man kann Zweifel haben, ob Bush sich am Ende unterordnet. Der US-Aufmarsch allein ist aber noch kein Beweis. Dieser Druck hilft den Inspekteuren. Erst wenn Bush einen Angriffsbefehl ohne UN-Mandat gibt, wendet er sich gegen die Vereinten Nationen. Vom Kanzler muss man schon heute sagen: Der Sicherheitsrat ist für ihn nicht maßgeblich. Was die UN entscheiden, war ihm im Sommer-Wahlkampf egal. Auch jetzt verweigert Schröder, was Sie, Herr Riekeles, zu Recht fordern: den Bericht von Hans Blix abzuwarten. Er legt sich vorab fest. Ist es nicht Aufgabe dieser Zeitung, auf diesen Widerspruch hinzuweisen?

Blix hat übrigens bereits festgestellt, dass Saddam sich nicht an die Resolution 1441 hält. Er müsste die Inspekteure aktiv unterstützen. Und nachweisen, dass er die Massenvernichtungswaffen vernichtet hat, die er 1998 besaß. Zwei Mal Fehlanzeige. Vermutlich kriegt Saddam eine zweite Chance: Verlängerung der Kontrollen mit einer ultimativ verschärften Gewaltdrohung, falls er weiter nicht kooperiert. Wenn der Kanzler Ihren Argumenten folgte, müsste er sagen: Stellt Hans Blix am Ende fest, dass Saddam nicht kooperiert, ist Gewalt gerechtfertigt.

Wir bemühen uns um eine differenzierte Sicht: für die Kontrollen, für militärischen Druck, im Zweifel gegen einen Krieg, jedenfalls derzeit – und gegen jeden, der die Uno übergeht. Es bekümmert mich, dass manche Leser die darin enthaltene Kritik an Rot- Grün mit einem Pro-Kriegs-Kurs verwechseln.Ihr Christoph von Marschall

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