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Meinung: DIE LEHRER UND DIE ÖFFENTLICHKEIT Warum „Maulkörbe“ für Lehrer?

Unsere Leserin Angelika Ezzeldin versteht nicht, weshalb sich Berliner Schulleiter nur eingeschränkt öffentlich äußern dürfen. Bildungssenator Klaus Böger antwortet.

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Zu: „Lehrer verklapst“ und „Tarifstreit: Lehrer wollen nachverhandeln“ vom 4. Juli 2003

Die Ergebnisse der PisaStudie haben die Diskussion um die Bildungspolitik in Deutschland ein Stück öffentlich gemacht. Dass sich daran auch die Lehrer, Schulleiter und andere in der Schule aktive Fachkräfte beteiligen, ist in meinen Augen logisch und sinnvoll. Diesen Personenkreis möchte Herr Böger nun mit seinem „Maulkorberlass“ ausschalten. Das Demokratieverständnis, das sich für mich darin ausdrückt, möchte ich nicht kommentieren. Aber: Wie viel Misstrauen und Missachtung für die Arbeit der Lehrkräfte in Berlin kommt da zum Ausdruck, und welche Arroganz, die die eigenen Ver- und Anordnungen zum über alle Kritik erhabenen „Dogma“ erhebt? Herr Böger und seine Kollegen in der Schulverwaltung mögen sich die Zeit nehmen, einmal ein, zwei Wochen verantwortlich zu unterrichten an Schulen in den so genannten Problembezirken. Denn wie heißt es? „Einmal sehen ist besser als hundert Mal hören.“

Angelika Ezzeldin, Berlin-Wilmersdorf

Sehr geehrte Frau Ezzeldin,

ich ergreife gerne die Gelegenheit, richtig zu stellen, was es mit dem vermeintlichen „Maulkorberlass“ auf sich hat, der mitnichten ein Diskussionsverbot darstellt.

Der Brief über den Kontakt mit der Presse ist vielmehr eine Interpretation und Präzisierung vorheriger Rundschreiben, in denen ausdrücklich festgelegt ist, dass Schulleiterinnen und Schulleiter unabhängig von der Schulaufsicht und der Pressestelle Auskünfte an Medienvertreter erteilen können, wenn es um die Angelegenheiten der jeweiligen Schule geht.

Damit ist unsere Regelung sehr viel diskussionsfreudiger als die Genehmigungsverfahren in einigen anderen Bundesländern.

In dem neuen Schreiben (das seit Mitte Juni im Internet nachzulesen ist) wird diese unbürokratische Handhabung auf die Leiter/innen der nachgeordneten Behörden ausgedehnt. Dass auch – und gerade – öffentliche Bedienstete bei dem Kontakt mit der Presse das Dienstrecht zu beachten haben, versteht sich von selber.

Wie man dem Schreiben dagegen entnehmen kann, dass fachliche Kritik und kontroverse Diskussionen bei Lehrern nicht erlaubt seien, kann ich nicht nachvollziehen.

Ich hoffe, ganz im Gegenteil, dass das Thema Bildungspolitik und die richtigen Wege dorthin leidenschaftlich täglich in allen Lehrerzimmern Berliner Schulen diskutiert werden. Deshalb haben wir die Schulen ausführlich bei mehreren Versammlungen über Einzelheiten von Pisa informiert. Allerdings hat zu meinem Bedauern nicht jede Schule die Ergebnisse abgefragt. Völlig unstrittig und unbedingt gewollt ist die Diskussion der Lehrer und Lehrerinnen untereinander, die Einbeziehung der Eltern in die Diskussionen über Bildungspolitik.

Ich weiß sehr wohl, sehr geehrte Frau Ezzeldin, was Berliner Lehrerinnen und Lehrer täglich leisten. Wir haben in Berlin zum Glück viele engagierte Lehrer, die sich dieser schwierigen Aufgabe jeden Tag stellen, wir haben einfallsreiche Schulleiter und aktive Eltern, die alle daran mitarbeiten, dass sich unsere Schulen weiterentwickeln. Seit Pisa ist Bildung wieder ein Thema geworden, über das ernsthaft diskutiert wird. Das möge so bleiben. Berlin ist eine Stadt, in der es gar nicht möglich ist, etwas geheim zu halten oder gar „Maulkörbe“ zu verhängen.

Der Dirigent Daniel Barenboim hat dieses typische Berliner Phänomen auf den Punkt gebracht: „In dieser Stadt ist sehr oft zu früh (…) über Dinge diskutiert worden, die überhaupt noch nicht spruchreif waren. (…) Oder servieren Sie das Essen, bevor es gekocht ist?“

Klaus Böger ist Senator für Bildung, Jugend und Sport

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