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Meinung: Ein Staat darf nicht als Rächer auftreten

„Von den Nazis zu Saddam“ vom 18. Oktober 2005 Der Autor Charles Lane arbeitet mit mephistophelischen Mitteln.

„Von den Nazis zu Saddam“

vom 18. Oktober 2005

Der Autor Charles Lane arbeitet mit mephistophelischen Mitteln. Seine These ist: Weil Mephistopheles oder der Teufel einen richtigen Satz gesagt bzw. eine Wahrheit ausgesprochen hat, ist der Satz falsch, ja sogar unmoralisch.

Kein Zweifel, Lane plädiert als systemtreuer Amerikaner für die Todesstrafe. Dass die Deutschen dagegen sind, ist ihm ein Ärgernis. Die Berechtigung des capital punishment will er damit nachweisen, dass er behauptet, der Artikel 102 des Grundgesetzes sei durch unlautere Motive zustande gekommen. Die Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland sei „keineswegs ein Signal gegen das barbarische System Hitlers, sondern eine Stellungnahme gegen die angeblichen Exzesse alliierter Siegerjustiz“.

Lane gibt sich den Anschein der Objektivität, indem er den britischen Historiker Richard J. Evans zitiert, von dem er wohl nur das Werk „Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der Deutschen Geschichte 1532 – 1987“ gelesen hat. Sein Argument: Als 1948 das Grundgesetz verabschiedet werden sollte, habe als Einziger der 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates der rechtskonservative Hans Seebohm für die Abschaffung der Todesstrafe plädiert, um weitere Hinrichtungen von Nazi-Kriegsverbrechern durch die Alliierten zu verhindern. Dass die 64 anderen Mitglieder vielfach Verfolgte des Naziregimes waren und sich von Hans Seebohm, der sich in einer Außenseiterposition befand, nicht hätten dirigieren lassen, ignoriert der Autor, obwohl er sogar erwähnt, dass die SPD traditionell eine Gegnerin der Todesstrafe war. Den Gipfel seiner verlogenen Argumentation bildet sein Schlussargument, mit dem er Gerhard Schröder in die Nähe der Nachkriegsnazis rückt. Sein Trick ist der, dass er Schröder die Motive unterschiebt, die Seebohm wohl tatsächlich bewegten: Schröder sei nicht gegen die Todesstrafe, obwohl auch Massenmörder wie Saddam Hussein diesem humanen Strafvollzug unterworfen wären, sondern weil er dadurch verschont werde. Wer sich auf solche krummen Argumentationen einlässt, ist gegen keine Demagogie gefeit.

Wie viele Menschen in Amerika Justizmorden zum Opfer gefallen sind, interessiert den Autor wohl nicht. Tatsache ist, dass es nie eine Diktatur ohne die Todesstrafe gegeben hat. Nur die Demokratie bedarf dieses Gesetzes nicht.

Ingeborg Jacobs, Berlin-Lichterfelde

Mir ist die Intention von Charles Lane nicht ganz klar. Versucht er mit seinem Artikel der deutschen Regierung, den Deutschen, mir die moralische Integrität abzusprechen und das Recht zu verweigern, Stellung zu beziehen gegen die Todesstrafe?

Es scheint jedenfalls so. Eine im Amerika des George W. Bush offenbar sehr beliebte Strategie, auf Kritik mit Gegenkritik zu reagieren, statt andere Standpunkte als zumindest bedenkenswert anzuerkennen.

Selbst wenn Lanes These zutrifft, die Beseitigung der Todesstrafe im Nachkriegsdeutschland habe den Zweck gehabt, Naziverbrecher vor einem Todesurteil zu schützen, wird die Abschaffung der Todesstrafe als eine ethisch-moralische Grundentscheidung nicht bloß deshalb fragwürdig, weil es Claqueure aus dem falschen Lager gibt oder damals gab. Kein Mensch, und damit auch kein Staat (der sich ja aus einer Gemeinschaft von Menschen ergibt) hat das Recht, anderen Menschen das Leben zu nehmen. Dies gilt in gleicher Weise für den „Mörder“ wie für den „Henker“. Der Staat hat die Pflicht, seine Bürger vor Tat und Tätern zu schützen; er ist nicht dazu da, Rache zu üben.

Die Hinrichtung eines Menschen jedoch befriedigt nicht das berechtigte Interesse der Gesellschaft nach Schutz – dafür würde „lebenslänglich“ reichen. Die Tötung als Strafe kommt einer staatlich sanktionierten Vendetta gleich und befriedigt ausschließlich das Rachebedürfnis, der Maxime folgend „Wie du mir, so ich dir“.

Olaf Reichmann,

Berlin-Charlottenburg

Hans-Christoph Seebohm war nicht Chef der „Deutschland-Partei“, wie Charles Lane schreibt. Eine Partei mit diesem Namen gab es gar nicht. Er war Chef der Deutschen Partei (DP), die nicht rechtsextrem, sondern sehr rechtskonservativ war und mit Adenauer koalierte. Wenn schon Seebohm, dann bitte komplett: Von 1946 bis 1951 MdL in Niedersachsen, dort Minister für Aufbau und Arbeit und – unter Adenauer als Koalitionspartner – von 1949 bis 1966 Verkehrsminister. Seit 1960 Mitglied der CDU. Und immer ein berüchtigter „Sonntagsredner“. Das ist Ihr Rechtsextremist, Herr Lane. Also: Dicht daneben ist auch nicht getroffen!

Hans-Jürgen Habenicht,

Berlin-Dahlem

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