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Meinung: Gehört die Rente mit 67 auf den Prüfstand?

Zur Debatte über die Rente mit 67Die derzeit größte Herausforderung unseres Rentensystems ist nicht die demografische Entwicklung, sondern die Installierung und massenhafte Ausweitung eines Sektors von Billiglöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen. Dadurch fehlen dem System heute mehr und mehr Einzahler, morgen fehlen den Betroffenen die Rentenanwartschaften – und bis dahin fehlen ihnen obendrein die ökonomischen Möglichkeiten, privat vorzusorgen.

Zur Debatte über die Rente mit 67

Die derzeit größte Herausforderung unseres Rentensystems ist nicht die demografische Entwicklung, sondern die Installierung und massenhafte Ausweitung eines Sektors von Billiglöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen. Dadurch fehlen dem System heute mehr und mehr Einzahler, morgen fehlen den Betroffenen die Rentenanwartschaften – und bis dahin fehlen ihnen obendrein die ökonomischen Möglichkeiten, privat vorzusorgen. Die Folgen werden erst in einigen Jahren spürbar, dafür dann aber umso massiver sein, etwa bei der Grundsicherung.

Die „Rente mit 67“ ist mitnichten die einzige, sondern höchstens eine von mehreren Möglichkeiten, auf die Herausforderungen der demografischen Entwicklung zu antworten. Die Entscheidung über die Einführung der „Rente mit 67“ ist zu allererst eine tatsächliche Rentenkürzung. Das bestreitet niemand; es ist auch unbestreitbar.

Die praktischen Folgen der „Rente mit 67“ treten nicht „erst allmählich“ ein; schon heute sehen sich Millionen Menschen unmittelbar damit konfrontiert. Es ist millionenfache Erfahrung, und zwar nicht nur in „Dachdecker“-Berufen, dass Arbeitskraft und Gesundheit schon heute sehr oft eine Tätigkeit bis 65 nicht mehr zulassen. Genauso ist es millionenfache Erfahrung, dass die Menschen ab einem gewissen Alter aus ihren Jobs hinausgedrängt werden. Der Verweis auf die zukünftigen Folgen demografischer Entwicklung – angeblichen Arbeitskräftemangel – hilft überhaupt niemandem. Es geht um die heutigen, ungelösten Probleme.

Wer, nächste praktische Erfahrung, als Älterer einmal, aus welchem Grund auch immer, „draußen“ ist, hat trotz aller gegenteiligen Behauptungen immer weniger Chancen, wieder einen Job zu finden. Und je mehr Monate man „draußen“ ist, desto schlechter werden die Chancen.

Dafür steigt für diese Menschen die Aussicht, mit 63 Jahren zwangsverrentet zu werden. Mit den entsprechenden Abschlägen. Jeder kann sich ausrechnen, was ihn erwartet, sei es in zehn Jahren. Und da wundert man sich über Proteste?

Peter Kubisch, Strausberg

Sehr geehrter Herr Kubisch,

auch nach der Lektüre Ihres Schreibens bleibe ich bei meinem Standpunkt: Zur Rente mit 67 gibt es keine sinnvolle Alternative.

Die demografische Entwicklung ist anders als von Ihnen dargestellt natürlich die zentrale Herausforderung der Alterssicherung. Die durchschnittliche Rentenlaufzeit lag im Jahr 1960 bei zehn Jahren, heute liegt sie bei 17 Jahren, und sie würde bis zum Jahr 2030 um weitere knapp drei Jahre ansteigen, wenn wir politisch untätig geblieben wären. Wir verlängern die Lebensarbeitszeit um zwei Jahre, wodurch die Menschen im Jahr 2030, wenn der Übergang zur Rente mit 67 abgeschlossen ist, mit insgesamt 18 Jahren durchschnittlich immer noch ein Jahr länger Rente beziehen als heute. Damit die gesetzliche Rente auch zukünftig die wichtigste Säule der Alterssicherung bleibt, kommen wir nicht umhin, dass die Menschen, die länger arbeiten können, dies auch tun.

Ihr Argument, die Rente mit 67 sei ein Rentenkürzungsprogramm, überzeugt mich ebenfalls nicht. In den vergangenen Jahren haben wir beachtliche Verbesserungen bei der Beschäftigung Älterer erreichen können. Die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen lag noch vor einigen Jahren bei unter 40 Prozent, im Jahr 2008 lag sie mit 53,8 Prozent deutlich über dem EU-Durchschnitt. Natürlich sind wir mit dem Erreichten noch nicht zufrieden. Die neue Bundesregierung wird weiter daran arbeiten, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer zu verbessern. Gerade vor dem Hintergrund des in einigen Branchen schon heute offenkundigen Facharbeitermangels können wir es uns aber auch volkswirtschaftlich nicht mehr leisten, auf die älteren Beschäftigten zu verzichten.

Ich stimme Ihnen zu, dass es trotz aller Anstrengungen auch zukünftig nicht gelingen wird, alle Menschen bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter im Erwerbsprozess zu halten. Doch auch an diese Menschen haben wir bei der Rente mit 67 gedacht. So ist es CDU und CSU zu verdanken, dass auch zukünftig Menschen mit 45 Berufsjahren abschlagsfrei mit 65 in Rente gehen können. Zudem gibt es weiterhin die Erwerbsminderungsrenten, die denen eine Absicherung bieten, die vor Erreichen der Altersgrenze aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können.

Wir haben in der Vergangenheit vieles unternommen, um die Löhne der Menschen und damit auch die Renten zu stabilisieren. So haben wir über das Arbeitnehmerentsendegesetz für etwa vier Millionen Menschen die Voraussetzungen für tarifliche Mindestlöhne geschaffen. Über das novellierte Mindestarbeitsbedingungengesetz kann es zukünftig in Branchen mit geringer Tarifbindung Lohnuntergrenzen geben. Darüber hinaus fördert der Staat mit großem Aufwand weitere, die gesetzliche Rente ergänzende Formen der betrieblichen und privaten Altersvorsorge, so dass ein Absinken des Rentenniveaus aufgefangen werden kann.

Zum heutigen Zeitpunkt ist Altersarmut glücklicherweise kein Thema in Deutschland. Ich bin sehr zuversichtlich, dass unionsgeführte Bundesregierungen auch zukünftig ihren Beitrag leisten, dass dies auch in den kommenden Jahrzehnten so sein wird.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Ralf Brauksiepe (CDU),

Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und

Soziales der Unionsbundestagsfraktion

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