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Meinung: Gehört die Wehrpflicht abgeschafft?

„Sechs statt neun / Studenten fordern in einer Studie, den Grundwehrdienst zu verkürzen“ von Sarah Kramer vom 22. Juni Andreas Ahammer und Stephan Nachtigall fordern in ihrer Studie eine drastische Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate.

„Sechs statt neun / Studenten fordern

in einer Studie, den Grundwehrdienst zu verkürzen“

von Sarah Kramer vom 22. Juni

Andreas Ahammer und Stephan Nachtigall fordern in ihrer Studie eine drastische Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate. Es stellt sich unwillkürlich die Frage, ob eine solide Ausbildung in so kurzer Zeit überhaupt möglich ist. Mit einer Diskussion über die Dauer des Wehrdienstes erreichen sie vor allem eines, wie die SPD-Verteidigungsexpertin Petra Heß in ihrem Artikel schon andeutet: Es wird wieder darüber debattiert werden, ob es nicht besser wäre die Bundeswehr zu einer Armee von Berufssoldaten umzubauen.

Gute Gründe sprechen aber gegen die Abschaffung der Wehrpflicht. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Berufsarmeen deutlich kostenintensiver sind. Außerdem ist durch die Wehrpflicht die Nachwuchsgewinnung für die Bundeswehr garantiert: Etwa drei Viertel länger dienenden Mannschaften und Unteroffiziere kommen aus dem Reservoir der Wehrpflichtigen. Und nur durch die Wehrpflicht wird die Bundeswehr in der Gesellschaft verankert, da es so fast in jeder Familie jemanden gibt, der einmal in der Bundeswehr gedient hat.

Das Konzept des „Bürgers in Uniform“ ist aufgegangen, jemand, der eine Uniform anzieht, ist und bleibt Bürger. Und die Bundeswehr bleibt so ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Ob dies bei einer „Söldnerarmee“ aus ausschließlich Berufssoldaten auf Dauer auch so wäre?

Das wichtigste Argument für die Wehrpflicht zum Schluss: Wenn die Wehrpflicht erst einmal abgeschafft ist, wird es fast unmöglich sein, sie wieder einzuführen. Auch wenn es dringend notwendig wäre. Man sollte schon deshalb nicht daran rühren und diese bewährte Form der Mobilisierung beibehalten.

Christian Weigel, Berlin-Charlottenburg

Sehr geehrter Herr Weigel,

wieso sollte in einer Demokratie nicht über die Wehrpflicht als solche immer wieder diskutiert werden? Der Staat verpflichtet junge Männer zu neun Monaten Wehrdienst, daher ist eine ständige Legitimation nichts Ehrenrühriges sondern wünschenswert.

Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass in solchen Diskussionen auch das Kostenargument eine Rolle spielen muss. Eine Freiwilligenarmee wird kleiner und anders organisiert sein als die Bundeswehr heute. Dadurch können auch die Kosten in Grenzen gehalten werden. Auch die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr allein ist kein Rechtfertigungsgrund für die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht. Schon der ehemalige Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog meinte: „Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet.“ Sie ist also kein allgemeingültiges Prinzip, sondern abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Doch genau außen- und sicherheitspolitisch ist sie nicht mehr begründbar.

Seit dem Ende des Kalten Krieges ist Deutschland nur noch von Freunden und Bündnispartnern umgeben. Die Bundeswehr und ihre Aufgaben haben sich in den letzten Jahren rasant verändert. Sie ist längst eine Armee im Einsatz geworden, deren Soldatinnen und Soldaten in vielen Regionen der Erde ihren Dienst tun. Dafür braucht Deutschland keine Wehrpflichtarmee, sondern Streitkräfte, die gut ausgebildet, modern ausgerüstet, voll einsatzbereit und schnell verlegbar sind. Außerdem bindet der Aufwand für die Wehrerfassung und die ständige Ausbildung von Wehrpflichtigen zu viele Kräfte, die anderweitig gebraucht werden.

Die Einberufungspraxis zum Wehrdienst ist mittlerweile zu einer Lotterie für junge Männer verkommen und daher schlichtweg ungerecht. Derzeit leisten weniger als 17 Prozent der zur Verfügung stehenden jungen Männer Wehrdienst. Knapp 60 Prozent aller tauglichen jungen Männer leisten weder Wehr- noch Zivildienst. Das ganze System der Wehrpflicht ist dadurch unglaubwürdig geworden. Da hilft es auch nicht, dass in den letzten Jahren immer wieder willkürliche Veränderungen bei den Einberufungskriterien vorgenommen wurden – nur um die Zahlen schönzurechnen und damit eine angebliche Wehrgerechtigkeit nachzuweisen.

Es wird Zeit, die Realität endlich anzuerkennen. Die FDP fordert schon die Aussetzung der Wehrpflicht und die Umwandlung der Bundeswehr in eine Freiwilligenarmee. Viele unserer Bündnispartner haben sich in den letzten Jahren von der Wehrpflicht getrennt.

Auch die Sorge, die Bundeswehr als Freiwilligenarmee wäre nicht mehr in der Gesellschaft verankert, teile ich nicht. Schon heute ist die Mehrzahl unserer Soldaten nicht Wehrpflichtige sondern Berufs- und Zeitsoldaten. Letztere haben derzeit schon in der Bundeswehr das Sagen, ohne dass es den leisesten Zweifel an der demokratischen Verankerung der Bundeswehr gäbe. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bleiben auch in einer Freiwilligenarmee Staatsbürger in Uniform, die fest in unserer demokratischen Gesellschaft verankert sind.

Mit freundlichen Grüßen

—Birgit Homburger, stellvertretende Vorsitzende

der FDP-Bundestagsfraktion

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