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Meinung: Gemeinsam nach vorne schauen

„Mama, warum seid ihr nicht einfach weggelaufen“ vom 2. Juli 2006 Der Beitrag regt mich (Anfang 50, West-Berliner und kein Mitglied einer einseitig orientierten Partei) zu folgender Entgegnung an: Nach meiner sicheren Wahrnehmung haben 90 Prozent der DDR-Bürger in ihrer Republik mehr gelebt und geliebt als gelitten.

„Mama, warum seid ihr nicht einfach

weggelaufen“ vom 2. Juli 2006

Der Beitrag regt mich (Anfang 50, West-Berliner und kein Mitglied einer einseitig orientierten Partei) zu folgender Entgegnung an: Nach meiner sicheren Wahrnehmung haben 90 Prozent der DDR-Bürger in ihrer Republik mehr gelebt und geliebt als gelitten.

Angesichts der langfristigen Arbeitsmarktzahlen sind von persönlichem Leid heute mehr Menschen betroffen als damals. Die Debatte über das Wesen der DDR wird von einer verhältnismäßig kleinen Zahl Betroffener sowie nichtbetroffenenen Westlern ziemlich akademisch geführt. Wirtschaftliche Nöte von heute werden gegen die eingeschränkte Freiheit von gestern aufgerechnet. Doch welche Freiheit ist gemeint? Die von Bush und außer Kontrolle geratenen Geheimdiensten, die die Ideale von Brandt und Kennedy verraten?

Wer wie ich viel mit Ostlern zu tun hat und sich offene Gespräche nicht erspart, muss zu der Einsicht gelangen: Honecker, Mielke und die DDR sind tot, zurückhaben will sie keiner, hinterher treten aber auch nicht. Wir haben nun die Freiheit, dies zu akzeptieren und gemeinsam nach vorne zu blicken oder auch nicht. Es steht auch jedem frei, sich für die DDR zu interessieren, wie für andere Irrtümer der Geschichte. In jedem Fall weist die Erinnerungsdebatte, so wie sie von interessierten Kreisen geführt wird, in die Vergangenheit. In die Zukunft hingegen würde die Debatte weisen, wie wir mit unserer Bundesrepublik umgehen und die Verlierer dieser Gesellschaft einfangen. Das wäre auch der wirkungsvollste Beitrag, die Wiederholung der Vorgänge von 1933 und nach 1945 zu verhindern.

Die Politik und die Wirtschaft sind die überzeugenden Antworten noch schuldig geblieben. Ach ja, die Freiheit: Mein Amerika von 1961 erkenne ich auch nicht mehr wieder. Schade.

Manuel Jacob,

Berlin-Reinickendorf

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