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Meinung: GESUNDHEITSREFORM Geht es nur um die Pfründe?

Leser Jörg Heitz wirft dem Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vor, die Hausärzte zu diffamieren. Manfred Richter-Reichhelm antwortet

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Betrifft: „Heile mit Weile“ im Tagesspiegel vom 19. Mai 2003

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Manfred RichterReichhelm, Facharzt für Urologie, lässt nichts unversucht, ein Horrorgemälde über eine unzureichende Versorgung der Patienten zu zeichnen, falls der direkte Zugang zu den Fachärzten gekappt wird. Diesmal werden die Dermatologen vorgeschickt, um zu warnen: vor tumben Hausärzten, die nicht in der Lage seien, lebensgefährlichen Hauterkrankungen zu erkennen. Diese Diffamierungskampagne soll Patienten und Politiker abschrecken. Wovor? Das nicht neue Prinzip: erst Haus- dann Facharzt-Besuch gab es schon vor über zehn Jahren und wurde mit der Einführung der Chip-Karte gekappt.

Herr Richter-Reichhelm muss sich doch fragen lassen, ob es nicht bei seiner Kampagne nur um Erhaltung seiner Facharztpfründe geht? Mit Sicherheit ist er nicht der Vorsitzende, der alle niedergelassenen Mediziner ausgewogen vertritt.

Dr.med. Jörg Heitz, Berlin-Reinickendorf

Sehr geehrter Kollege Heitz,

es ging mir nie darum ein „Horrorgemälde“ zu zeichnen. Mir geht es darum aufzuzeigen, was aus der ärztlichen Versorgung der Patienten wird, wenn die Bundesregierung ihre Gesundheitsreform wie geplant umsetzt. Einzelverträge für Fachärzte – und nicht ein Hausarzttarif – schränken die freie Arztwahl ein. Zukünftig wird sich der Patient entscheiden müssen, ob er bei seinem Arzt bleibt, der keinen Einzelvertrag mit seiner Kasse hat, und die Kasse wechselt oder der Kasse treu bleibt, aber seinen Doktor austauscht. Erlauben Sie mir, als einer der sich täglich mit dem Gesundheitswesen beschäftigt, die möglichen Gefahren, die sich hinter dieser Gesundheitsreform verstecken, offen anzusprechen, damit auch andere in der Lage sind, sich ihr eigenes Bild zu machen.

Und es geht hier auch nicht darum, Facharztpfründe zu sichern. Als Erster Vorsitzender der KBV bin ich Vertreter aller Kassenärzte in Deutschland – gleich ob Fach- oder Hausarzt oder Psychotherapeut. Als solcher nehme ich auch die Interessen der niedergelassenen Fachärzte war, die – zumindest derzeit – unter einem stärkeren politischen Druck stehen als die Hausärzte. Aber wer sagt uns denn, dass die Bundesregierung den Hausarzt, den sie heute noch protegiert, nicht in einigen Jahren auch ans Gängelband nehmen will? Ihn vom heute viel gelobte Lotsen im Gesundheitswesen zum Patientenverwalter degradiert, der nur noch Überweisungszettel ausfüllt und in seiner Praxis nicht mal mehr einfachste medizinische Behandlungen durchführen darf? In den Niederlanden ist es soweit schon gekommen. Für uns Ärzte kann das doch nur heißen, uns jetzt nicht auseinander dividieren zu lassen. Wir müssen gemeinsam, was falsch ist, ansprechen und versuchen, es zu ändern – im Interesse aller Ärzte und zum Wohle unserer Patienten!

Auch aus diesem Grund hat sich die Kassenärztlichen Bundesvereinigung einhellig für die freie Arztwahl ausgesprochen und gleichzeitig ein Zwei-Tarif-Modell als Gegenentwurf zu den Vorstellungen der Bundesregierung vorgestellt. Künftig soll sich der Patient aktiv entscheiden zwischen einem Hausarzt-Sachleistungstarif und einem Kostenerstattungstarif, der wie bisher den direkten Zugang zum Facharzt seiner Wahl gewährleistet. Die KBV und ich als ihr Vorsitzender haben sich immer für einen freiwilligen Hausarzt-Wahltarif ausgesprochen und setzen auf die versprochenen Einsparungen durch die Lotsenfunktion des Hausarztes.

Der mündige Patient ist fähig zu entscheiden, ob er mit einer Erkrankung seinen Hausarzt oder einen Facharzt aufsucht. Die freie Arztwahl war und ist bis heute einer der großen Vorteile unseres Systems.

Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm

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