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Meinung: Grenzen der Freiheit

„Ganz realistisch“ vom 4. Juni 2006 Ein kleines Stehcafé.

„Ganz realistisch“ vom 4. Juni 2006

Ein kleines Stehcafé. Es ist voll, die Luft ist schlecht und neben uns raucht ein gut gekleideter Herr. Wir öffnen die Tür, um etwas frische Luft zu bekommen. Eine Dame beschwert sich über die Kälte. Die Tür wird geschlossen. Mit Blick auf meinen schwangeren Bauch weisen wir auf den Zigarettenrauch hin. Der Herr dreht sich zu uns um: „Wenn Sie der Rauch stört, gehen Sie doch woanders hin.“ Ein Frühstückscafé: An einem Tisch sitzt eine Familie mit einem Kleinkind. An allen umliegenden Tischen wird geraucht. Ist ein gesetzlich geregeltes Rauchverbot notwendig?

Ja, es ist. Ich habe bisher kaum einen Raucher erlebt, der aus Rücksichtnahme auf das Rauchen verzichtet hätte. Im Gegenteil, man muss sich als „militanter Nichtraucher“ beschimpfen lassen. Militant finde ich jedoch nur die „fahrlässige Körperverletzung“ durch Raucher. Vielleicht sollten wir auch nicht immer überlegen, was gegen ein Rauchverbot spricht, sondern auch mal danach sehen, was dafür spricht: Weniger gesundheitliche Schäden durch Passivrauchen. Sinkende Kosten im Gesundheitssystem. Keine sinkenden Steuereinnahmen, da es nicht um ein generelles Verbot, sondern nur um eine Einschränkung der Orte geht, an denen geraucht werden darf.

Die Italiener befürchteten nach dem gesetzlichen Rauchverbot in der Gastronomie das Ausbleiben der Gäste. Heute freuen sich die Gastwirte darüber, dass die Restaurants von mehr Familien besucht werden. „Es ist die individuelle Freiheit, sich für oder gegen etwas entscheiden zu können.“ schreiben Sie. Als Nichtraucher habe ich diese Freiheit nicht, zumindest nicht, wenn ich in einem Restaurant etwas essen möchte, denn dann muss ich den Zigarettenrauch in Kauf nehmen. Der Raucher jedoch hat die Freiheit, die Zigarette nach dem Essen vor der Tür zu rauchen. Gesund zu sein ist auch eine Realität – eine, die immer kleiner wird.

Claudia Lange,

Berlin-Prenzlauer Berg

Dieser Leitartikel hat mich sehr irritiert und ich möchte gegen den Tenor und Inhalt im Namen der deutschen Kinder- und Jugendärzte energisch protestieren. Der Autor sollte zur Kenntnis nehmen, dass es ja nicht darum geht, den selbstzerstörerischen Trieb der Raucher zu verbieten, sondern die Nichtraucher und insbesondere die Kinder und Jugendlichen vor der mit dem Rauchen verbundenen Umweltverschmutzung zu schützen.

Mich hat zu Tränen gerührt zu lesen, auf was die Raucher nach Meinung des Autors durch bisherige Maßnahmen schon freiwillig verzichtet haben. Als Direktor einer deutschen Universitäts-Kinderklinik habe ich erleben müssen, dass letztendlich selbst das Rauchen in einer Kinderklinik nur durch ein hartes Verbot verbunden mit angedrohten Sanktionen zu verbieten war, weil auf freiwilliger Basis gar nichts ging.

Besonders absurd finde ich aber die Ausführungen des Autors über die deutsche Freiheit, sich beim Autofahren durch Rasen oder Alkohol umzubringen, was ja schließlich auch nicht verboten sei. Auch das ist ja ein deutsches Problem, das gerne mit der Freiheit der Demokratie umschrieben wird. Geschwindigkeitsbegrenzung und Alkoholverbot sollten ja auch nur die Unbeteiligten schützen. Auch sie haben Anspruch darauf, durch den Staat vor denen geschützt zu werden, denen ihre Freiheit das einzige wichtige Gut ist, ohne dabei Rücksicht auf Mitmenschen zu nehmen.

Prof. Dr. Dr. h. c. Dietrich Niethammer, Generalsekretär Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e. V.,

Berlin-Mitte

Offensichtlich legt der Autor wenig Wert auf seine und die Gesundheit seiner Mitbürger. Warum Nichtraucher die ‚Kultur’ des Rauchens in Restaurants und Kneipen akzeptieren sollen, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Mit Freiheit hat das Ganze jedenfalls herzlich wenig zu tun.

Sabine Steinle, Berlin-Wilmersdorf

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