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Meinung: KOPFTUCH-URTEIL Was steckt dahinter, Herr Karasek?

Unser Leser Kilian Nauhaus wirft dem Tagesspiegel-Herausgeber Scharfmacherei vor. Hellmuth Karasek verteidigt seine Position

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Zu: „Was darunter steckt“ vom 28. September 2003

In Hellmuth Karaseks Leitartikel finden sich alle Vorurteile gegen den Islam mit erstaunlicher Undifferenziertheit zusammengestellt. „Der Islam“, so Karasek, ist mittelalterlich, er propagiert die Tötung Andersgläubiger und ruft „ständig“ heilige Kriege aus; die Lehrerin, die für ihr Kopftuch kämpft – und hier ist die Grenze zur Hetze zumindest nah –, tut dies, weil sie erreichen will, dass Mittelalter und Unterdrückung auch in Deutschland Einzug halten.

Karasek macht sich nicht die Mühe, zwischen Islam und politischem Islamismus zu unterscheiden. Kein Wort findet sich über die Proteste von Moslems gegen das Todesurteil für Salman Rushdie, über das Entsetzen in weiten Teilen der islamischen Welt angesichts des Massenmords in New York vor zwei Jahren, über den Kampf vieler Moslems gegen korrupte islamistische Regimes in Afghanistan oder Iran. Die mühsame Arbeit vieler Jahre, eine gedeihliche Koexistenz der verschiedenen Kulturen zu erreichen, Verständnis und Wohlwollen für Menschen zu wecken, die eine andere Prägung haben als wir, und umgekehrt bei diesen Menschen für Werte zu werben, die wir für unverzichtbar halten, wird mit dieser vereinfachenden Scharfmacherei wieder zunichte gemacht.

Kilian Nauhaus, BerlinPrenzlauer Berg

Lieber Herr Nauhaus,

natürlich muss man zwischen dem Islam und dem politischen Islam, wie Sie schreiben, unterscheiden und ich habe das auch mit Hinweis auf viele unserer türkischen Mitbürgerinnen getan, die das Kopftuch aus religiösen Zugehörigkeitsgründen tragen. In Maybrit Illners Diskussion „Berlin Mitte“ war eine so moderate Islam-Vertreterin anwesend, die sich allerdings auch folgerichtig deutlich gegen das Tragen von Kopftüchern in deutschen Schulen ausgesprochen hat. Denn in einem Land, in dem man eine religiöse Minderheit darstellt, ist es kein Fehler, sich äußerlich anzupassen und innerlich (privat und in seiner familiären und glaubensreligiösen Umgebung) seine Religion zu zeigen.

Wer das nicht tolerieren kann, der muss sich nicht wundern, wenn der Staat in den öffentlichen Räumen das militant erstrittene Kopftuchtragen nicht tolerieren will. So wie es bei uns in Schulen kein Kruzifix geben darf, wenn auch nur ein Elternteil Anstoß nimmt, so wird es auch bald Gesetze gegen das Kopftuchtragen von Lehrerinnen geben, wenn sich andere in ihrer Neutralität gestört fühlen.

Denn leider vertritt Fereshta Ludin nicht den toleranten, sondern den politisch militanten Islamismus, hat sie sich doch im Laufe ihres schulischen Werdegangs geweigert, Nicht-Muslimen die Hand zu geben, weil diese „unrein“ seien.

Die hinter ihr stehenden fundamentalistischen Gruppierungen haben bisher nie dagegen protestiert, wenn Frauen in Iran das Kopftuch von islamischen Eiferern mit Nägeln auf den Kopf gezwungen wurde, und mir sind auch keine Fälle bekannt, dass im Islam-Unterricht in Deutschland ein Verdikt gegen die fundamentalistische Vorstellung ausgesprochen wurde, Selbstmordmärtyrer würden im Paradies von willfährigen Jungfrauen sexuell für ihren Opfertod entschädigt – eine seltsame, ja perverse Utopie von weiblicher Gleichberechtigung.

Sie müssen schon die Augen kräftig verschließen, wenn Sie nicht sehen wollen, dass beispielsweise von der Türkei seit Atatürk das Tragen von Kopftüchern in jeglicher staatlicher Öffentlichkeit, um den laizistischen Staat durchzusetzen, verboten ist. Was machen da die Mitglieder der neuen muslimischen Regierung? Sie nehmen einfach ihre Frauen nicht mehr mit in die Öffentlichkeit, denn ihnen das Tragen des Kopftuches zu erlassen, das erschiene ihnen dann doch zu unsittlich. Eine verstörend fanatische Haltung, der von Fereshta Ludin und ihren religiösen Hintermännern in den Konsequenzen nicht unähnlich. Schon allein der sollten wir an deutschen Schulen keine ideologische Hilfestellung bieten.

Hellmuth Karasek

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