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Meinung: Lasst bitte die Kirche im Dorf

Zur Debatte Pro Ethik/Pro ReliFährt man zurzeit durch die Straßen Berlins, kann einem angst und bange werden. Menschen müssen für die Freiheit kämpfen, die offenbar akut gefährdet ist – droht etwa die Abschaffung der Demokratie, gar eine Diktatur?

Zur Debatte Pro Ethik/Pro Reli

Fährt man zurzeit durch die Straßen Berlins, kann einem angst und bange werden. Menschen müssen für die Freiheit kämpfen, die offenbar akut gefährdet ist – droht etwa die Abschaffung der Demokratie, gar eine Diktatur? Nein, es geht lediglich darum, ob Schüler ab Klasse 7 Ethik oder Religion bzw. nur Ethik bzw. Ethik und Religion als Unterrichtsfach haben – um nicht mehr und nicht weniger.

Leider haben die selbst ernannten Freiheitskämpfer vergessen, einmal einen Blick in die Geschichtsbücher zu werfen oder einen Besuch z. B. in der Gedenkstätte Sachsenhausen zu machen. Dort gibt es einen dem evangelischen Pfarrer Niemöller gewidmeten Raum. Pfarrer Niemöller und andere Kirchenmenschen mussten um die Freiheit (der Kirche) kämpfen und dies mit Haft oder sogar mit dem Leben (z. B. Dietrich Bonhoeffer) bezahlen. Damals ging es um die Freiheit, heute geht es gerade einmal ein Stück darum, ob die oft propagierte Trennung von Kirche und Staat Realität wird oder nur auf dem Papier steht. Etwas mehr Augenmaß wäre den Initiatoren der Kampagne Pro Reli und den Kirchen, die sich wie die evangelische gerne in der Tradition der bekennenden Kirche und Menschen wie Martin Niemöller und Dietrich Bonhoeffer sieht, zu wünschen. Es geht am 26. April, zum Glück für uns alle, nicht um die Freiheit! Lasst doch bitte die Kirche im Dorf!

Sebastian Recknagel,

Berlin-Zehlendorf

„An den Haaren herbeigezogen“

von Harald Martenstein vom 12. April

Bisher habe ich noch kein einziges Argument der Pro-Reli-Seite gehört, das mich auch nur ansatzweise hätte überzeugen können. Die von den Befürwortern viel zitierte Wahlfreiheit trifft es genau nicht, denn die Kinder und Eltern haben dann nicht die Freiheit, sondern den Zwang, zwischen zwei Fächern zu wählen.

Und ein Satz wie „Aber man kann nicht alles haben“ von Harald Martenstein ist der Gipfel der sachlich nicht stimmigen Argumentation und tatsächlich an den Haaren herbeigezogen. Denn nach der bestehenden Regelung ist genau das der Fall: Man kann beides haben. Und wie die Statistiken zeigen, nehmen auch viele Schüler die Möglichkeit eines zusätzlichen Religionsunterrichts wahr.

Was aber in unseren Schulen auf gar keinen Fall aufgegeben werden darf, ist ein Unterrichtsfach, das sich mit ethischen und gesellschaftlichen Themen unabhängig von einer bestimmten Religion beschäftigt, an dem alle Schüler gemeinsam teilnehmen, so wie sie auch gemeinsam die deutsche Sprache und noch einiges andere mehr in der Schule vermittelt bekommen. Welches Argument spricht dagegen? Wie gesagt, ich habe noch keines gehört.

Christine Burr, Berlin-Neukölln

Unsere Kultur ist vom Christentum geprägt. So werden die christlichen Feiertage als gesetzliche Feiertage und damit arbeitsfreie Tage auch von all jenen sehr gern wahrgenommen, die aus der Kirche ausgetreten sind, mitunter dem Christentum sogar ablehnend gegenüberstehen.

Völlig unverständlich ist uns auch, dass Gegner von Pro Reli gelegentlich von einem „Wahlzwang“ sprechen, wenn Religion (verschiedener Glaubensrichtungen) und Ethik gleichberechtigt als Wahlpflichtfächer von der ersten Klasse an eingeführt werden sollten mit der Möglichkeit des Wechsels zwischen Religion und Ethik nach jedem Schuljahr und mit der Verpflichtung zur Kooperation untereinander.

Rainer und Ilse Möckel,

Berlin-Zehlendorf

Dass Religionsunterricht Schüler nicht unbedingt religiöser macht, scheint mir die einzige zustimmungsfähige Einsicht in seinem Kommentar zu sein. Ansonsten irrt Herr Martenstein.

Es ist ein Irrtum, zu glauben, es müsse eine „freie Wahl“ zwischen Ethik und Religion geben (wie die Pro-Reli-Kampagne reichlich demagogisch plakatiert). Das eine ist ein Wissens-, das andere ein Glaubensfach, das eine Pflicht, das andere Privatangelegenheit – eine erhebliche Differenz, die beides nicht alternativ wählbar macht.

Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass, wer das Christentum und seine Botschaft nicht kennt, sich bei uns nicht zurechtfindet. Nichts über die zwölf Apostel zu wissen ist bestenfalls eine Bildungslücke, aber für Lebenspraxis und Wertorientierung sind Grundgesetz und BGB allemal geeigneter als Neues Testament und Katechismus.

Es ist ein Irrtum, zu glauben, beim Fach Ethik handle es sich um einen „vollgepackten, orientierungslosen“ Zwangsunterricht, der kein „Gegengewicht zu einer fundamentalistisch geprägten Familie“ bilden könne. Qualifizierter Ethikunterricht kann Schüler sehr wohl über fundamentalistische Weltbilder in Religion und Politik aufklären und gegen sie sensibilisieren, besser als staatlich kontrollierter (!) Islamunterricht.

Und schließlich ist es wohl eine Illusion zu glauben, es könne einen islamischen Religionsunterricht geben, der mit den Werten des Grundgesetzes vereinbar ist, solange die zivilgesellschaftlichen Werte unserer Verfassung nicht allgemein anerkannt und überzeugend gelebt werden.

Ich bin deshalb, ohne antireligiös zu sein, für den verpflichtenden Ethikunterricht, weil die Vermittlung gründlichen Wissens und begründeten Urteilens über Weltanschauungen und Religionen zu den Aufgaben der allgemeinbildenden Schule gehört, religiöse Unterweisung dagegen nicht.

Dr. Erhard Schwandt,

Berlin-Waidmannslust

Muslime bleiben zurückhaltend / Nur ein Verband unterstützt Pro Reli“

von Ferda Ataman vom 16. April

Wer wollte unseren muslimischen Freunden die Zurückhaltung vorwerfen? Die Erfahrungen mit dem Senat dürften noch in guter Erinnerung sein. Nur zwei muslimische Gemeinschaften haben es auf sich genommen, das Recht auf muslimischen Religionsunterricht zu erstreiten. Durch mehrere Instanzen wurde da mit dieser Gemeinschaft auch der gesamte Islam auf den Prüfstein gestellt. Ein Eindruck, der lange nachwirkt. Warum sollten Muslime da in dieser Stadt optimistisch sein?

Im Übrigen ist die Frage, warum die islamische Föderation sich nicht an der Unterstützung beteiligt, wichtig: „Wir wissen nicht, wie es dann weiter geht.“ äußerte sich Burhan Kesici dazu. Die Verhandlungen mit dem Senat haben hier sicherlich nicht als vertrauensbildende Maßnahmen gewirkt. „Drei mal wurde unser Rahmenlehrplan zurückgewiesen, wäre der dritte nicht angenommen worden, hätten wir aufgegeben.“ so die Erfahrung von Kesici.

Hier ist der Punkt, die Hand zu reichen und zu signalisieren, dass wir es ernst meinen. Von dem Verein Pro Reli zu erwarten, dass er die Frage des islamischen Religionsunterrichts lösen wird, halte ich schlichtweg für weltfremd. Pro Reli ist angetreten für die Freiheit der Wahl und dafür, dass der Religionsunterricht ein ordentliches Lehrfach wird. Die Hausaufgaben über die Bedingungen um den Islamunterricht muss schon der Senat selbst machen. Die anderen Bundesländer zeigen nicht nur, dass es schwer ist, sie zeigen auch, dass man sich auf den Weg machen muss. Und wer hat behauptet, dass es leicht wird?

Luitgard Demir, Berlin-Steglitz

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