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Lehrergehalt: Jammern auf hohem Niveau?

Berichterstattung über Gehaltserhöhung angestellter Lehrerinnen und Lehrer.

Seit Tagen ärgern wir uns über die Berichterstattung der Presse über die Gehaltserhöhung angestellter Lehrerinnen und Lehrer und insbesondere über die des Tagesspiegels. Meiner Ansicht nach verzerren Sie die Wahrheit, sodass bei der Bevölkerung ein falscher Eindruck über die Sachlage entsteht.

Es ist wahr, dass der Senat im Abgeordnetenhaus eine Gehaltserhöhung für Junglehrer angekündigt hat. Jedoch erwecken Ihre Artikel den Eindruck, als bekäme jeder Angestellte ab Sommer 1200 € mehr auf die Hand. Es handelt sich dabei um einen Bruttobetrag, was nicht jedem klar sein dürfte, wenn man nur die Schlagzeile liest. Darüber hinaus erhalten einzig diejenigen Lehrer tatsächlich 1200 Euro brutto mehr, die zum September 08 bzw. Februar 09 eingestellt wurden. So profitiert lediglich ein kleiner Teil der Junglehrer davon. Da diesen jedoch ohnehin – und zwar absolut unverständlicher- und ungerechterweise – im Vergleich zu den in den Jahren zuvor eingestellten Lehrkräften ein beträchtlicher Betrag vom Gehalt abgezogen wurde, kann man keinesfalls von einer Erhöhung um den Betrag von 1200 Euro sprechen. Natürlich ist es der Senat, der hier in die rhetorische Trickkiste greift, um die angebliche „Wahnsinns“-Erhöhung um 48 Prozent möglichst gut zu verkaufen. Jedoch springen Sie durch Ihre Berichte genau auf diesen Zug auf, was maßlos enttäuschend ist bei einer Zeitung, von der man Offenheit und einen gewissen Anspruch an Seriosität und Neutralität erwarten dürfte.

Für alle anderen Junglehrer, die schon länger als ein halbes Jahr im Dienst sind, wird die Verdienstlücke zu den Beamten, die im gleichen Lehrerzimmer die gleiche Arbeit erledigen, nur einen kurzen Moment kleiner. Denn die Schere öffnet sich schon wieder im ersten Jahr nach der Einstellung, wenn eben jene Beamten wie bisher in höhere Gehaltsgruppen rutschen, während wir Angestellte mit dem Berufseinstieg in die höchste Erfahrungsstufe eingruppiert werden und dort ein Leben lang verweilen. Jeder Berufsanfänger, der rechnen kann, bewirbt sich nicht in Berlin.

Die ungleiche Bezahlung von gleicher Arbeit (Angestellte im Vergleich zu Beamten / Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern) erzeugt großen Missmut. Die Ungerechtigkeit bleibt auch mit dieser jüngsten Ankündigung des Senats bestehen. Wir jammern also leider nicht „auf hohem Niveau“. Mit Ihrer Berichterstattung tragen Sie zu einer Verschärfung der bestehenden Klischees und zu einer Verstärkung der schlechten Stimmungsmache gegen Lehrer bei. Dem Leser Ihrer Zeitung erscheint unsere Problematik als Luxus und übertriebene Forderung.

Katrin Wenk, Josefa Ulm, Claudia Michaelis, Thomas Baumann, Anja Pustal, Melanie Glier, Mathieu Desgeorges

Französisches Gymnasium, Berlin

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