zum Hauptinhalt

Meinung: Muss man Google Fesseln anlegen?

Zur Berichterstattung über Google Das Internet bietet uns zwar allen neue Möglichkeiten, aber die Entwicklung in diesem Medium ist weltweit rasant. Viele Menschen glauben immer noch, dass Google eine einfache Suchmaschine ist.

Zur Berichterstattung über Google

Das Internet bietet uns zwar allen neue Möglichkeiten, aber die Entwicklung in diesem Medium ist weltweit rasant. Viele Menschen glauben immer noch, dass Google eine einfache Suchmaschine ist. Leider ist man im Internet nicht so anonym, wie man glaubt. Man hinterlässt auf jeder Internetseite, die man besucht, seine Spuren. Google speichert die Protokolle der Suchmaschine. Obacht ist spätestens geboten, seit Google das Online-Werbeunternehmen Doubleclick übernommen hat, denn Doubleclick sammelt ebenfalls gezielt Daten von Internetnutzern. Durch die Zusammenlegung werden nun viele Daten über das Nutzungsverhalten der Kunden in einer Hand vereinigt. Google ist eben nicht nur die Suchmaschine, die wir alle kennen und schätzen. Google lässt z. B. zurzeit die Straßen von US-Städten fotografieren und mit einem Mausklick lassen sich bald ganze Straßenzüge im 360-Grad-Panorama anschauen, wobei man den Leuten bei Google Earth ja ohnehin schon auf die Terrasse schauen kann.

Auch Google-Konkurrenten wie Yahoo oder Microsoft speichern Nutzerdaten, um Nutzergruppen gezielt mit Werbeanzeigen bedienen zu können, aber Google hat einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Rechtlich verhindern lässt sich die Datensammelei wohl nicht, weil in den USA, wo die Daten verarbeitet werden, keine Datenschutzstandards wie in Europa herrschen.

Aldous Huxley beschrieb in seinem Buch „Schöne neue Welt“ Anfang der dreißiger Jahre eine Wohlstandsgesellschaft, in der Unruhe, Elend und Krankheit überwunden sind, aber auch Freiheit, Religion, Kunst und Humanität auf der Strecke geblieben sind. In seinem Essayband „Dreißig Jahre danach“ kommt er zu dem Schluss: „Sozialer und technischer Fortschritt und verfeinerte Methoden der psychologischen Manipulation lassen erwarten, dass diese grausige Voraussage sich in einem Bruchteil der veranschlagten Zeitspanne verwirklichen werde.“

Google gab es damals noch nicht …

Dirk Fenner, Berlin-Lankwitz

Sehr geehrter Herr Fenner,

leider kann ich keine Entwarnung geben. Das Surfen im Internet hinterlässt vielfältige Spuren. Bei jedem Seitenaufruf wird die IP-Adresse des Nutzers an den Zielrechner übertragen und dort zumeist protokolliert. Außerdem verwenden viele Anbieter sog. „cookies“, kleine Dateien, die auf dem Rechner des Nutzers gespeichert werden, um das Surfverhalten individuell zuzuordnen und auszuwerten. Besonders aussagekräftig sind dabei Suchanfragen, die – wie bei Google – für längere Zeit gespeichert werden. Wenn man etwa nach Informationen über eine bestimmte Krankheit sucht, liegen Rückschlüsse auf medizinische Probleme nahe. Wenn sich eine andere Suchanfrage – die mittels IP-Adresse oder cookie mit der ersten verknüpft werden kann – auf einen Namen bezieht, spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es sich dabei um den Nutzer handelt, denn die meisten Nutzer suchen nach Informationen, die sie betreffen.

Je umfangreicher der Datenpool ist, desto tiefer sind die Einblicke in persönliche Interessen und Probleme. Wenn Daten, die bei den Anbietern von elektronischen Werbeanzeigen („Bannerservices“) anfallen, mit Daten aus Suchanfragen kombiniert werden, ließen sich daraus zusätzliche Schlüsse ziehen, etwa, welche elektronischen Artikel abgerufen werden. Ich habe allerdings keine Hinweise darauf, dass Google diese Zusammenführung praktiziert oder plant.

Wegen der herausgehobenen Bedeutung von Google steht dieses Unternehmen naturgemäß unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Die europäischen Datenschutzbeauftragten führen deshalb einen Dialog mit Google über dessen Datenschutzpolitik. Das Unternehmen ist schon seit langem bemüht, seine Datenschutzpolitik zu verbessern. Leider ist das Ergebnis der Diskussionen noch ein Stück entfernt von dem, was aus meiner Sicht angemessen wäre. Ein Grund ist sicherlich, dass in den USA eine völlig andere Datenschutzkultur gepflegt wird als in Europa und dass es für den Unternehmensbereich keine verbindlichen Datenschutzgesetze gibt. US-Firmen tun sich deshalb häufig schwer, die europäischen Zweckbindungsregeln und Löschungsfristen einzuhalten. Es sind die genannten Speicherungsdauer und -zweck, über die mit Google weiter gesprochen werden muss. Neue Dienste wie „street view“ wecken bei manchen Ängste vor einem Verlust der Individualität in einer „schönen neuen Welt“, wie Aldous Huxley sie beschreibt. Ich gebe Ihnen Recht, dass es heute entscheidend ist, die Gefahren einer Entwicklung, die sich in der Begeisterung für die unendlichen Möglichkeiten der Technik zu verselbstständigenden droht, zu erkennen und zu korrigieren. Uns Datenschützern ist klar, dass der Schutz der Privatsphäre angesichts der Internationalität des Internet nur in einer weltweiten konzertierten Aktion erreicht werden kann, und dies leider nicht von heute auf morgen. Datenschutz ist ein dickes Brett, das geduldig „gebohrt“ werden muss. Deshalb ist es wichtig, den Datenschutz nicht allein den professionellen Datenschützern zu überlassen, sondern sich auch selbst darum zu kümmern: als Nutzer neuer Dienste und als Staatsbürger.

— Peter Schaar ist Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false