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Meinung: Musste der Todesschuss auf Bruno wirklich sein?

„Im Herzen getroffen“ vom 28. Juni 2006 Gratulation, Herr Schnappauf, da wird Ihr Bundesland von einem Pubertisten im Pelzmantel über sechs Wochen hinweg gefoppt, also entschließen Sie sich, die – in Deutschland nicht mehr existierende!

„Im Herzen getroffen“ vom 28. Juni 2006

Gratulation, Herr Schnappauf, da wird Ihr Bundesland von einem Pubertisten im Pelzmantel über sechs Wochen hinweg gefoppt, also entschließen Sie sich, die – in Deutschland nicht mehr existierende! – Todesstrafe anzuwenden. Sie können wirklich stolz auf sich sein. Versuche, wie zum Beispiel das Tier mit Hilfe eines anderen Bären einzufangen, oder aber doch weiterhin das Betäubungsgewehr einzusetzen, haben Sie abgelehnt, wozu auch?! Schließlich war es ja nur ein Bär! Ein Jungtier übrigens, dass doch offensichtlich nicht an Menschen interessiert war, oder leben die Wanderer nicht mehr und die Nation hat dies nur verpasst? Schämen Sie sich in Grund und Boden!

Ulrike Luther, Berlin-Zehlendorf

Ich schäme mich dieser arroganten Gattung Mensch anzugehören. Zwar wird auf der einen Seite versucht mit großem Aufwand unsere Schandtaten durch Naturschutzgebiete, Reservate, Zoologische Gärten und anderes zu korrigieren, aber kaum gibt es einmal kleinste Erfolge werden diese rücksichtslos und unfair über den Haufen geschossen. Ein einzelner Bär in Mitteleuropa wird ohne jeden Nachweis, dass überhaupt eine Gefahr für uns von ihm ausgeht, aus dem Hinterhalt mit tödlichen statt betäubenden Schüssen niedergestreckt und soll in einem Museum ausgestellt werden, damit unsere Kinder später einmal sehen können, was es neben der Bestie Mensch noch auf dieser Welt an Lebewesen gegeben hat! Wenn schon alle eventuellen Gefahren vom „heiligen Menschen“ abgewandt werden sollen, lasst uns endlich die Autos verbieten – die überfahren uns und unsere Kinder. Weg mit den Flugzeugen – sie stürzen ab und könnten auf gänzlich unbeteiligte Menschen treffen.

Friedrich Semmer, Berlin-Wannsee

Sehr geehrte Frau Luther,

Sehr geehrter Herr Semmer,

Wolf, Luchs und Bär waren die größten Raubtiere Deutschlands, die durch Überjagung und Zerstörung ihres Lebensraumes im 19. Jahrhundert bei uns ausstarben. Luchse wurden in Süddeutschland wieder angesiedelt und Wölfe sind seit einigen Jahren im Osten von selbst wieder eingewandert. Für Bären jedoch, die große Reviere zum Leben benötigen, gab es keinen Platz im durch Land- und Holzwirtschaft genutzten Kulturland, bis jetzt ein Jungbär aus Italien einwanderte. Da, wo der Bär sich in Bayern wohl fühlte, war nicht sein viele Hektar großer, arttypischer Lebensraum. Der Bär stand sofort in Konkurrenz zu den Bedürfnissen der Menschen. Der Konflikt war vorprogrammiert. Für die Betroffenen war das schon lange vergessene Raubtier Bär plötzlich wieder präsent. Je weiter die Menschen vom Geschehen entfernt wohnten, desto mehr idealisierten sie den Bären und sahen in ihm die heimatlose, durch den Menschen geschundene, harmlose Kreatur. Wie meistens liegt auch hier die Wahrheit in der Mitte. Der Bär ist mit Sicherheit ein wehrhaftes Raubtier und nicht umsonst heißt es in einem Lehrbuch für Tierpfleger: „Beim Umgang mit Bären sind Vorsicht, Umsichtigkeit und Gewissenhaftigkeit lebenswichtig. Das Betreten von Gehegen, in denen Bären sind, ist lebensgefährlicher Leichtsinn.“ Normalerweise aber greifen Bären Menschen nur sehr selten und in Extremsituationen an. Der Bär ist wie alle Raubtiere ein scheues Wildtier, das bei genügend Platz durchaus neben dem Menschen existieren kann. „Bruno“, der Braunbär, war in eine nicht gerade dünn besiedelte Gegend geraten, hatte vor den Menschen keine Scheu und wurde so schnell zur Touristenattraktion. Das aber ist kein Bärenleben und kann durch Fehlverhalten des Menschen schnell lebensgefährlich für diesen enden.

Deshalb konnte der Bär nicht dort bleiben, sondern er hätte in große, abgeschiedene Alpentäler vertrieben oder ausgesetzt werden müssen. Trotz großen finanziellen Aufwandes geschah dies wohl nicht konsequent und überlegt genug. Sicher hätten die Jäger, die den Bär am Ende zur Strecke bringen sollten, statt mit scharfer Munition auch mit einer Betäubung arbeiten können. Auch überrascht den Außenstehenden, dass Bayern Spezialisten aus Finnland einfliegt, die eigenen Fachleute für Wildbiologie und Wildtiermanagement und vor allem aus dem Münchner Zoo anscheinend aber nicht zu Rate zieht, obwohl gerade sie über große Erfahrung im Umgang mit Blasrohr und Betäubungsgewehr verfügen. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit wurden offensichtlich Fehler gemacht. Sonst würde Brunos Geschichte die Menschen im Land sicher nicht so beschäftigen.

Inzwischen hat das Ganze sogar internationale Dimensionen. Der Bundesumweltminister fordert ein europaweites Großwildmanagement zum Schutze von Wildtieren und Italien will die Bundesrepublik bei der Europäischen Kommission verklagen. Am Ende hat Bruno sogar etwas Gutes bewirkt. Es wird darüber nachgedacht, ob und wie auch Bären wieder bei uns heimisch werden können.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Jürgen Lange, Vorsitzender des Vorstandes, Zoologischer Garten Berlin AG

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