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Meinung: Nur wer mitstimmt, bestimmt mit

„Instrument im Zwielicht“ von Hermann Rudolph vom 16. Juli Nein, ins Zwielicht geraten ist nicht der Bürgerentscheid als Instrument für mehr direkte Demokratie, ganz bestimmt nicht.

„Instrument im Zwielicht“

von Hermann Rudolph vom 16. Juli

Nein, ins Zwielicht geraten ist nicht der Bürgerentscheid als Instrument für mehr direkte Demokratie, ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil. Gerade „Mediaspree versenken“ mit seinem eindeutigen Ergebnis verdeutlicht die Probleme, um die sich diese Stadt – und nicht nur die – über Jahrzehnte herumgemogelt hat.

Erstens erfordert Demokratie eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten. Die hat Berlin nicht, wie unter anderem der Dauerbrenner „politisches Bezirksamt“ beweist. Eine klare Zuständigkeit des Senats für Mediaspree hätte ein Volksbegehren auf Landesebene erfordert, welches wegen Aussichtslosigkeit nie zustande gekommen oder aufgrund zu geringer Beteiligung gescheitert wäre.

Zweitens, und das wiegt eigentlich viel schwerer, war das Ergebnis doch wohl zu erwarten – im (Teil-)Bezirk der steuerfinanzierten Selbstverwirklicher. Jahrzehntelang verachten und verhöhnen viele Aktivisten genau diejenigen, von deren Arbeit und Einkommen sie durchaus auskömmlich leben. Die Auseinandersetzung mit dieser Form sozialer Ungerechtigkeit wird, aus welchen Gründen auch immer, auch in dieser Stadt nicht geführt. Bei „Mediaspree versenken“ kann man doch sehr wohl vermuten, dass das eigentlich heißen soll „Wozu brauchen wir neue Arbeitsplätze? Mehr Geld vom Staat und mehr Freiraum für Ruinenkultur und Piratendörfer sind besser!“ und „Spreeufer für alle“ bedeutet vermutlich doch recht egoistisch nur „Spreeufer für uns“.

Ganz in diesem Sinne fordert nun auch der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, dass der Senat das Votum des Bezirkes respektieren solle – die Kosten zum Beispiel für Schadenersatz aber das Land und damit alle Berliner zu tragen hätten.

So kann Demokratie nicht funktionieren! Wer entscheidet, muss auch für die Konsequenzen geradestehen und darf nicht andere zur Kasse bitten. Wenn der Regierende Bürgermeister nun bei seiner Linie, jede Verantwortung des Landes infolge des Bürgerentscheides zurückzuweisen, bleibt und die Friedrichshain-Kreuzberger mit den Folgen der Entscheidung leben müssen, dann wird er der Demokratie im Allgemeinen und dieser Stadt im Besonderen einen sehr, sehr großen Dienst erweisen und Bürgerentscheide vom Zwielicht befreien.

Ralf Wagner, Berlin-Marzahn

Es ist ein Faktum in der Demokratie, dass nur diejenigen mitbestimmen, die sich auch beteiligen. Egal, ob es sich um Wahlen oder Abstimmung handelt. Dass „nur“ 35 000 Menschen zur Abstimmung gegangen sind, und davon „nur“ 29 783 gegen die Spreebebauung gestimmt haben, bedeutet auch dass weniger als 6000 Menschen dafür gestimmt haben. Auch dies ist eine Minderheit. Eine höhere Beteiligung ist wünschenswert, aber mit einer Erhöhung des Beteiligungsquorum wird man dies nicht erreichen. Es würde nur dazu führen, dass vorwiegend Anhänger einer Bürgerinitiative zur Abstimmung gehen, während ihre Gegner in der Hoffnung, das Quorum würde verfehlt, der Abstimmung fernblieben. Das von Herrn Rudolph angesprochene Problem der bloßen Aktivierung von Minderheiten würde somit bestehen bleiben.

Im Fall Mediaspree hat es eine große Mehrheit gegeben, die sich enthalten haben. Es wäre somit der Aufgabe der Bebauungsbefürworter gewesen, diese Menschen von ihrem eigenen Anliegen zu überzeugen. Aber vielleicht muss man dies in Berlin – und nicht nur dort – noch lernen.

Fabian Reidinger, Stuttgart

Zu Recht stellt Hermann Rudoph einige kritische Fragen. Das Votum der Bürger von Friedrichshain-Kreuzberg könnte sicher die Korrektur der Fehler einer zu schnellen Planung durch die Investoren ermöglichen. Die Entwicklung dieses Stadtraumes ist für Berlin sehr wichtig. Hier sollte nicht geklotzt sondern behutsam gebaut werden.

Warum sollte es nicht möglich sein die geplanten Geschäftshäuser mit einer eher kleinteiligen Bauvielfalt sinnvoll zu verknüpfen? Kleine Baugemeinschaften und Genossenschaften ermöglichen eine unterschiedliche Fassadengestaltung der Neubauten und sichern die soziale Balance durch den Bau von bezahlbarem Wohnraum. Grundvoraussetzung für eine gelingende Planung ist aber ein sachlicher und konstruktiver Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren.

Markus Erich-Delattre, Hamburg

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