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Meinung: Rente ab 67 führt zu Rentenabschlägen

„Union und SPD für Ruhestand ab 67“, „Später in Rente oder weniger Rente“ vom 28. Oktober und „In der Rente steckt viel Arbeit“ vom 29.

„Union und SPD für Ruhestand ab 67“, „Später in Rente oder weniger Rente“

vom 28. Oktober und „In der Rente steckt viel Arbeit“ vom 29. Oktober 2005

Die Lebenserwartung steigt und steigt und steigt. Wenn immer weniger junge Berufstätige für immer mehr Rentner zahlen sollen, dann steuert ein umlagefinanziertes Rentensystem zwangsläufig in eine Zahlungsunfähigkeit. So kommen Ökonomen und Politiker immer wieder zu der Schlussfolgerung, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Auch die neue große Koalition ist sich darin, wie Sie berichten, wohl schnell einig geworden.

Wenn ich aber als Arzt die heute 65-jährigen (und älteren) Senioren ihren wohlverdienten Ruhestand genießen sehe, dann fällt mir auf, was den Ökonomen und Politikern verborgen bleibt: Diese Menschen genießen einen längeren und besseren Lebensabend nur durch pausenlose Behandlung, sie müssen ständig zum Arzt.

Sie gehen mit orthopädischen Schuhen und künstlichen Gelenken, sie tragen Herzschrittmacher, Hörgeräte, Insulin- und Schmerzpumpen, sie sind mit Hygieneartikeln gegen ihre Stuhl- und Harn-Inkontinenz verpackt, sie nehmen ständig Medikamente gegen ihren hohen Blutdruck, gegen ihr hohes Cholesterin, gegen ihren Diabetes, gegen ihre Knochen- und Gelenkschmerzen und gegen viele andere chronische Krankheiten.

Arbeitsfähig, das heißt zuverlässig und flexibel einsetzbar, dauerhaft physisch und psychisch belastbar, aber sind die Menschen (Ausnahmen bestätigen die Regel) nicht.

Mit der Lebenserwartung steigt die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit nicht mit! Ein höheres Renteneintrittsalter mag demographisch zu begründen und versicherungstechnisch zu berechnen sein, mag zur Stabilisierung der Sozialsysteme unvermeidlich erscheinen – medizinisch aber fehlen für die Verlängerung des allgemeinen Erwerbslebens alle Voraussetzungen.

Mit der Verordnung eines höheren Renteneintrittsalters käme auf die Sozialsysteme nur eine neue Belastung durch einen sprunghaften Anstieg von Begutachtungen zu. Die betroffenen Jahrgänge wären statt Alters- dann Erwerbsunfähigkeitsrentner – mit entsprechenden Rentenabschlägen. Damit wäre allerdings das Gleichgewicht zwischen den Beitragseinnahmen und den Ausgaben für Renten wieder hergestellt. Warum will man wohl das Unvermeidliche so umständlich regeln?

Es geht bei der „Rente mit 67“ doch eigentlich um einen Abbau der Frühverrentung und insbesondere um einen ausgeglichenen Haushalt von Staats- und Rentenkassen. Da sollte man zuerst alle Anreize zur vorzeitigen Beendigung der Berufstätigkeit abbauen.

Ein Zwang zur Berufstätigkeit über das 65. Lebensjahr hinaus ist doch wohl die aufwändigste und ungeeignetste Lösung.

Dr. Klaus Günterberg, Facharzt für Frauenheilkunde, Berlin-Mahlsdorf

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