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Meinung: Ruhe bitte!

„Klavierspielen unerwünscht: Vater muss Bußgeld zahlen / Immer öfter werden Kinder und Jugendliche als Störfaktor empfunden“ von Franz Nestler und Christoph Stollowsky vom 29. September Es stimmt mich traurig , dass sich nicht alle darüber freuen können, wenn junge Leute Interesse an unserem Kulturgut haben und dieses pflegen, statt wie andere vor dem Fernseher zu sitzen und von einer Castingshow-Karriere zu träumen.

„Klavierspielen unerwünscht: Vater muss Bußgeld zahlen / Immer öfter werden

Kinder und Jugendliche als Störfaktor

empfunden“ von Franz Nestler und

Christoph Stollowsky vom 29. September

Es stimmt mich traurig , dass sich nicht alle darüber freuen können, wenn junge Leute Interesse an unserem Kulturgut haben und dieses pflegen, statt wie andere vor dem Fernseher zu sitzen und von einer Castingshow-Karriere zu träumen. Wofür üben, wenn es auch ohne Können geht ? Dieser Ansicht ist offenbar auch der Richter, der dem Mädchen das sonntägliche Klavierspielen untersagt. Dass man, um Hausmusik zu machen, erst mal ein Instrument erlernen muss, scheint ihm entgangen zu sein. Ich schäme mich, Teil einer Gemeinschaft zu sein, in der solche Rechtsprechung möglich ist.

Florian Trübsbach, Berlin-Mitte

Wir leben in einer Gesellschaft, die immer häufiger Erwachsenenrechte stützt und Kinderrechte beschneidet. Da werden Kinder wie Gewerbelärm verursachende Firmen hinter Schallschutzmauern verbannt und die Eltern von Klavier übenden Kindern mit Geldbuße belegt. Kein Wunder also, wenn der Graben zwischen Heranwachsenden und Senioren immer größer wird. Ich wundere mich jedenfalls nicht mehr darüber, dass Heranwachsende immer stärker Egoismus und Respektlosigkeit leben. Wer lebt in dieser Gesellschaft schließlich noch ein echtes Vorbild vor?

Marius Minke, Berlin-Charlottenburg

Im vorliegenden Fall sind die Rollen natürlich schnell verteilt: Die Familie mit den Kindern sind die Guten und die Nachbarn sind die Bösen. Und weil es so einfach ist, ist es auch für Politiker so einfach populistisch zu reagieren. Tatsächlich sollte man den Fall jedoch etwas differenzierter betrachten. In dem Artikel wird davon gesprochen, dass das Klavier spielende Kind sich nicht entfalten könne. Die Nachbarn akzeptieren aber an sechs von sieben Tagen die Entfaltung des Nachbarkindes. Damit beweisen sie eine außerordentliche Toleranz! Wie aber sieht es mit der Rücksichtnahme und Toleranz durch die Eltern aus? Ist es nicht ein hochgradig kinder- und vor allem gesellschaftsfeindliches Erziehungsverhalten, wenn man seinen Kindern das hohe Gut der Rücksichtnahme vorenthält!

Denn wie sieht es mit dem Ruhebedürfnis der Mitmenschen aus? Manche Menschen müssen sonntags in der eigenen Wohnung arbeiten, Schichtarbeiter müssen schlafen, ältere Menschen, Kranke, aber auch Berufstätige möchten einfach mal etwas Ruhe genießen – wenigstens an einem Tag in der Woche. Wie wäre es denn, wenn die Eltern dies und die Bedeutung des Sonntags allgemein ihrer – immerhin 16-jährigen – Tochter erklären würden, anstatt sie zu rücksichtslosem Egoismus zu erziehen!

Wolfgang Kersten, Berlin-Lichtenrade

Warum macht man sich in der Öffentlichkeit die totale akustische Verseuchung unseres ganzen Lebens, unserer Umwelt überhaupt nicht bewusst? Man mag den Verkehrslärm als unvermeidbar hinnehmen. Aber gibt es eine Gastronomie, ein Geschäft, ein Kaufhaus ohne Lautsprecherberieselung? Überall, auf der Straße, in öffentlichen Räumen, in den Verkehrsmitteln wird laut und ausgiebig mit dem Handy telefoniert. Das dauernde Zischeln von MP3-Playern in Bussen und Bahnen wird hingenommen. Aber bei Klavierspiel, Kinder- und Jugendausgelassenheit, da kann man klotzen. Welch erbärmliche Heuchelei.

Manfred Müller, Berlin-Steglitz

Ich habe nichts gegen die Kinder, die ihre Gefühle altersgerecht ausleben. Ich habe jedoch etwas gegen Eltern, die ihren Kindern nicht beizubringen versuchen, dass man gelegentlich auch Rücksicht auf Dritte nehmen sollte. Auch aus diesen Kindern werden Leute.

Elmar Szelies, Berlin-Heiligensee

Wir lesen, dass nach Auffassung des Gerichts eine Stunde regelmäßigen Klavierübens nicht mehr als normale Hausmusik einzuordnen sei. Das schreckt auf und zeigt einen eklatanten Missstand, der nicht nur als Mangel an Kultur und Kenntnis des musikalischen Lebens aufzufassen ist: Hausmusik wird durch die Gerichte offenbar als zu tolerieren eingeordnet, nur sei eine Stunde zu viel. Will man Hausmusik auf vernünftigem Niveau ausüben, ist eine tägliche Übungsstunde unbedingt erforderlich. Nur dann kann mit Gewinn für alle Beteiligten (auch die Nachbarn) musiziert werden. Wir lesen im Tagesspiegel immer wieder Berichte, nach denen die Bereitschaft Jugendlicher sich anzustrengen, hohe Leistungen zu erbringen und diszipliniert und konzentriert an einem Gegenstand zu arbeiten, abnähme. Mir scheint, es ist noch viel schlimmer: dass beständiges Üben zum Erlangen hoher Qualität unabdingbar ist, und zwar unabhängig vom jeweiligen Sachgebiet, gehört nicht einmal mehr zu den Kenntnissen der im Berufsleben Angekommenen, zum Grundbestand des Wissens von Entscheidungsträgern! Das lässt nun in der Tat aufhorchen und betrübt – dies bei aller Skepsis gegenüber dem verbreiteten und oft problematischen Kulturpessimismus.

Prof. Dr. Susanne Meyer,

Berlin-Schöneberg

Wer in Prenzlauer Berg wohnt, umgeben vom Kleinkinderlärm, und dabei noch täglich arbeiten muss, der fragt sich, ob da nicht etwas schief läuft. Es ist genau wie mit der Hundescheiße, natürlich sind die Hunde nicht schuld, sondern die Halter und so ist es auch bei den Kindern; die Eltern sind verantwortlich, ob das Kind eine Nervensäge wird oder nicht. Darum muss man weder Hunde- noch Kinderhasser sein.

In Prenzlauer Berg scheint es aber besonders viele Nervensägen zu geben. Was sollen die Kleinen auch machen, wenn Mami den ganzen Tag mit ihnen auf einen Massenspielplatz geht, wo sie bis zu dreißig Minuten aufs Schaukeln warten müssen und wenn Mutti dauernd unzufrieden ist, weil sie weder weiterstudieren noch arbeiten kann und Partys versäumt . Zudem wollen die Eltern ihr „Leben davor“ einfach weiterleben, bloß nicht auf irgendetwas verzichten. Die Kinder werden überall mit hingeschleppt. Ob das den Kindern gefällt, wird nicht gefragt. Man merkt es nur, wenn Anderthalbjährige auf Ausstellungseröffnungen, im Theater oder sogar in Mitternachtsführungen im Museum lauthals losgreinen.

Es wird nicht gebeten, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Umwelt das toleriert. Dabei nervt es jeden. Ja, Kinder und Jugendliche gehören zu unserer Gesellschaft. Aber sollten sie darum nicht gerade dazu erzogen werden, dass sie in einer Gesellschaft mit anderen Menschen leben, ja soziale Wesen sind? Ist es so schlimm, dem Kind zu sagen, es möge leise sein?

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