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Meinung: Schlossendlich gewinnen die Palastgegner

„Berlins Mitte bleibt sieben Jahre lang eine Wiese“ vom 20. Januar 2006 Man muss wahrlich keine Liebe für den Palast der alten Diktatur empfinden.

„Berlins Mitte bleibt sieben Jahre lang eine Wiese“ vom 20. Januar 2006

Man muss wahrlich keine Liebe für den Palast der alten Diktatur empfinden. Er repräsentierte nie das Volk, sondern den volksfeindlichen Staat. Aber was verbindet uns schon mit dem Schloss? Auch dieses steht nicht gerade für ein demokratisches Gemeinwesen. Nun wird es halt anders genutzt, es wird vermutlich keine Kaiserin, auch kein Kaiser einziehen. Eine Nutzung entgegen dem ursprünglichen Zweck hätte man aber auch im Palast haben können. Nur weil ein Palast da ist, haben wir ja noch lange keinen Staatsratsvorsitzenden und keine militaristischen Massenaufläufe davor.

Wie es ist, ein entspanntes, ja süffisantes Verhältnis zur Geschichte zu haben, kann man an einer Stadt wie Rom sehen, die von Geschichte nur so überzuquellen scheint, gerade so, als ob nicht genug Platz da sei. Orte, wo einst Römer auf Kosten Diokletians badeten, behausen heute zum Teil eine monumentale Basilika, die u. a. an Märtyrer gedenkt, auch derer, die von Diokletian verfolgt wurden. Den hübsch anzusehenden Cäsarenstatuen an den Kaiserforen haftet die Bemerkung an, dass sie von den Faschisten restituiert wurden. Im Säulenpark des Forum Romanum wird Zeitlosigkeit und Gleichheit erzeugt dadurch, dass die Zuordnung zu Tempel X oder Y doch dem normalen Besucher recht mühsam erscheint. Und sowieso haben sich an jedem antiken Bauwerk die Päpste verewigt, besonders schön anzusehen am Kolosseum. Ja, geradezu mit Akribie wurde alles, was nicht passte, nicht etwa niedergemacht, sondern halt umgewidmet. Sicher auch aus Kostengründen, aber ist es nicht manchmal schöner, ein wenig Fantasie zu zeigen?

Aber vielleicht braucht es dazu auch den Mut, Geschichte als Vergangenheit zu sehen, die der Gegenwart am besten dann noch etwas zu sagen hat, wenn man sie noch sehen und fühlen kann. Mangelnde Liebe zu einem Palast könnte man ja auch so ausdrücken, dass man im Vorbeigehen nicht mehr schaudern muss, sondern einfach die Schultern zuckt oder in sich lächelnd sagt, ja, auch das haben wir hinter uns, Macht ist immer vergänglich.

Philipp Kneis, Eichwalde

Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, dass der Palast der Republik abgerissen wird. Mir stellt sich die Frage, warum das Parlament einen längst beschlossenen Vorgang noch einmal beschließt. Dort wo jetzt noch der Palast steht, soll das Humboldtforum entstehen. Das Forum soll wie das Stadtschloss der Hohenzollern aussehen. Wie sah das Stadtschloss eigentlich aus? Es gibt keine detaillierten Angaben. Das kümmert die Politiker und den Spendenverein um Wilhelm von Boddien wenig. Hauptsache der Palast kommt zu Gunsten eines anachronistischen Bauwerks weg. Die Volkskammer bleibt auch nicht erhalten. Schließlich wurde dort die Deutsche Einheit beschlossen. Das dieser historische Ort dem Erdboden gleichgemacht wird, zeigt den Stellenwert der Deutschen Einheit. Damit aber nicht genug. Der Baubeginn für das Stadtschloss wurde vage bekannt gegeben. Frühestens im Jahre 2012 soll es losgehen. Mit anderen Worten: Die Finanzierung ist unklar. Eine Zeit lang wurde der Palast als kulturelles Zentrum genutzt. Warum geht das nicht weiter? Mit den Einnahmen könnte die Finanzierung des Schlossbaus unterstützt werden. Aber darum geht es nicht. Der Palast muss weg und damit ein wichtiges Stück der deutschen Geschichte. Zur Fußball-WM stellt sich die Mitte Berlins als Schutthalde dar. Später wird dort ein grüner Rasen angelegt. Wahrscheinlich wird man auch edle Gehölze anbauen. Das freut dann die Kaninchen und Hasen. Will im Jahre 2012 überhaupt noch jemand einen dritten Palast am Ort der beiden Vorgänger-Paläste? Besser wäre es, einen modernen Museumsbau inmitten des historischen Ensembles zu setzen. Das würde zeigen, dass die Deutschen in ihrer Einheit angekommen sind. In der Moderne.

Kai Steinbrenner, Oranienburg

„Palast oder Schloss?“

vom 19. Januar 2006

Danke für die zusammenfassende Darstellung von Pro und Contra in der Palast-Abriss-Debatte. Schade, dass sie für die Bundestagsentscheidung unbedeutend ist. Es werden nicht die differenzierenden Argumente von Frau Fetscher gewinnen, sondern unreflektierte Bestrebungen, die Epoche DDR aus der deutschen Geschichte zu merzen oder auf die Mauer zu reduzieren. Dass sich die Abrissgegner schließlich an Unbelehrbarkeit und Dünkel von Herrn Schulz und anderen Schloss-Propagandisten totgelaufen haben, dürfen sich Letztere „zugute“ halten.

Detlef Gutzschebauch,

Dahlwitz-Hoppegarten

„Heute schlägt dem Palast die letzte Stunde“ vom 19. Januar 2006

Gerade in den letzten Wochen ist mir klar geworden, dass man den Palast nur aus politischen bzw. persönlichen Interessen einfach weghaben will. Mal davon abgesehen, dass niemand weiß, was danach kommen wird, wurde die große Fassade des Palastes nie zu werblichen Zwecken vermietet (wie Siegessäule oder Brandenburger Tor). Damit hätte man einen Abriss oder eine Zwischennutzung finanzieren können! Warum nicht gerade während der WM Millionen Euro damit verdienen und das Innere künstlerisch nutzen? Der Palast ist nicht nur eine Hülle aus Stahl und Glas. Er ist ein Zeugnis der Geschichte, wie die Mauer, die so gut wie komplett ausradiert wurde. Schade auch um das Innenleben des Palastes. Der vom Architekten Manfred Prasser entworfene große Saal war und ist in seiner Funktion und Flexibilität einmalig in der Welt.

Was wird kommen? Ein Schloss, welches in Walt-Disney- oder besser Las-Vegas-Manier nur aus einer Fassade besteht – im Zentrum von Deutschland, im Zentrum von Berlin? Ein armes Deutschland ist das. Wenn schon, dann das Schloss wieder richtig aufbauen, so wie die Frauenkirche. Oder könnten Sie sich die Frauenkirche als Fassade mit einem Rundkino, Planetarium oder Hotel im Inneren vorstellen?

Jan Schwochow,

Berlin-Prenzlauer Berg

Mein Vorschlag für die sieben Jahre „leere Mitte“ in Berlin ist: Die Schlossattrappe von Herrn Boddien im Umfang des Schlossareals wieder aufzubauen, und zwar so, dass diesmal der Innenraum für alle Arten von Veranstaltungen wechselweise genutzt werden kann, von der Ausstellung bis hin zum Beachvolleyball mit Tribünen. Dann wäre der Senat auch nicht in der Not, immer Veranstaltungen auftreiben zu müssen, um keine Brache zu haben: Hinter der Attrappe hätte man dann eben bloß Wiese mit Bänken und Restauration. Oder dort könnten Gruppen als Mieter auftreten: vom Weihnachtsmarkt bis zum Theater. Denn man muss sich auch vor Augen halten, dass Veranstaltungen auf dieser riesigen Freifläche, egal welcher Art, ein anderes Aussehen haben, als wenn innerhalb dieses „Schlossrahmens“, bzw. damals dem Schatten des Palastes der Republik abgewickelt.

Jürgen Spiegel, Berlin-Neukölln

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