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Meinung: Sind Investivlöhne für Arbeitnehmer eine gute Sache?

Zur Diskussion um Investivlöhne Jetzt, wo es der Wirtschaft wieder besser geht, ist es wirklich an der Zeit, dass die Arbeitgeber den Beschäftigten einen Anteil vom Kuchen abgeben. Aber wir können wohl davon ausgehen, dass sich die Gehaltserhöhungen auch 2007 mal wieder im ganz engen Rahmen halten werden.

Zur Diskussion um Investivlöhne

Jetzt, wo es der Wirtschaft wieder besser geht, ist es wirklich an der Zeit, dass die Arbeitgeber den Beschäftigten einen Anteil vom Kuchen abgeben. Aber wir können wohl davon ausgehen, dass sich die Gehaltserhöhungen auch 2007 mal wieder im ganz engen Rahmen halten werden. In der Politik wird derzeit über verschiedene Modelle diskutiert, die Mitarbeiter stärker am Kapital oder Gewinn ihrer Unternehmen zu beteiligen. Die sogenannten Investivlöhne sind ja im Prinzip keine schlechte Idee, sie werden auch nicht ohne Grund alle paar Jahre wieder aus dem Hut gezaubert. Sie könnten der Vermögensbildung der Arbeitnehmer dienen und beispielsweise zur privaten Altersvorsorge genutzt werden. Aber die Mitarbeiter tragen dann auch das Risiko in stärkerem Maße mit. In schlechteren Zeiten laufen sie Gefahr, bei Insolvenz ihres Arbeitgebers auf einen Schlag nicht nur den Arbeitsplatz, sondern auch noch die private Altersversorgung zu verlieren, die heute wichtiger denn je geworden ist. Und was passiert, wenn man den Betrieb wechselt? Das man sein ganzes Arbeitsleben bei einer Firma verbringt, wird wohl künftig eher Ausnahme als Regel sein. Ich denke, Investivlöhne und Gewinnbeteiligungen sind letztlich ein Schritt in die falsche Richtung, zumal sich die Arbeitgeber damit vor größeren Gehaltserhöhungen drücken könnten. Die Arbeitnehmer sollten sich zwar stärker an Unternehmen beteiligen, aber dass können sie auch jetzt schon über, zum Beispiel, den Kauf von Aktien. Man sollte hier die Anreize für die Betroffenen erhöhen, zum Beispiel bessere steuerliche Bedingungen für Kapitalbeteiligungen bei Arbeitnehmern bieten.

Dieter Schütze, Berlin-Tempelhof

Sehr geehrter Herr Schütze,

mit dem Ruf nach einem „Investivlohn“ inszenieren die Politiker sich überraschend als lernfähig: Sie ahnen, dass sie mit den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Einschnitten die Schieflage der Einkommens- und Vermögensverteilung verschärft haben: Die Exportnachfrage ist ungebrochen, die Binnennachfrage stockt weiterhin, die Gewinne sind in den letzten 13 Jahren um 61 Prozent, die Arbeitsentgelte um 33 Prozent gestiegen. Die Lohnquote ist um fünf Prozent gesunken. Die Nettoeinkommen der Arbeitnehmerhaushalte lagen 2004 real um zwei Prozent unter denen des Jahres 1991, obwohl das Volkseinkommen um 18 Prozent gestiegen war.

In einer solchen wirtschaftlichen Situation sind Vereinbarungen über Lohnbestandteile, die dem Konsum entzogen werden, gesamtwirtschaftlicher Unsinn. Derzeit ist kein zusätzliches Sparen der Arbeitnehmerhaushalte angesagt, das durch die drohende Mehrwertsteuererhöhung ohnehin erzwungen wird, sondern eine Ausweitung des Konsums, eine Stärkung der Konjunktur und vor allem eine Festigung der Binnennachfrage.

Ihrer Ansicht stimme ich zu, dass die Beteiligung von Belegschaftsmitgliedern an ihrem Unternehmen ein unverantwortliches Abenteuer sein kann, wenn im ungünstigen Fall einer Unternehmenspleite neben dem bereits vorhandenen Arbeitsplatzrisiko ein Vermögensrisiko auf sie zukommt. Zur privaten Altersvorsorge taugt eine Beteiligung an einem einzigen Unternehmen sowieso nicht, insbesondere wenn es nicht börsennotiert ist. Die Vermögensanteile und Risiken müssten über Branchen und Unternehmen breit gestreut und in Investmentfonds gesammelt werden. Ein „Investivlohn“, der exklusiv in florierenden Unternehmen und Branchen vereinbart wird, würde die bereits vorhandenen Ungleichheiten unter den abhängig Beschäftigten zuspitzen.

Der Investivlohn kann sinnvoll wohl nur als Entgelt abhängig Beschäftigter verstanden werden, wenn er auf den Lohn, der konsumtiv verwendet werden soll, aufgestockt wird. So könnte die beobachtete Schieflage der Einkommens- und Vermögensverteilung korrigiert werden. Die Kapitaleigner müssten damit einverstanden sein, dass die unternehmerische Wertschöpfung gleichmäßiger auf Gewinn- und Arbeitseinkommen verteilt wird, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Oder die Gewerkschaften müssten durch eine politische Rückendeckung wieder in die Lage versetzt werden, „auf gleicher Augenhöhe“ mit den Arbeitgebern zu verhandeln. Das würde bedeuten, dass sie erstens einen Lohn für Konsumzwecke vereinbaren, der dem trendmäßigen Anstieg der Produktivität plus dem Inflationsziel entspricht, das die Zentralbank mittelfristig anstrebt, und dass sie zweitens darüber hinaus einen Lohnanteil festlegen, der ausschließlich für Investitionszwecke zur Verfügung steht.

In einer sozialethischen Reflexion kann die Frage nach einer gerechten Verteilung des Produktionserfolgs nicht ausgeklammert bleiben. Das Privateigentum an Produktionsmitteln ist ja nur unter Einsatz fremden Arbeitsvermögens, also abhängig Beschäftigter profitabel zu nutzen und gewinnbringend zu vermehren. Folglich ist die durch den Einsatz von Arbeit und Kapital gemeinsam erwirtschaftete unternehmerische Wertschöpfung kein ausschließliches privates Gut der Aktionäre und Spitzenmanager, sondern Eigentum aller, die sich im Unternehmen auf unterschiedliche Weise engagieren. Wenn den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ihnen zukommende Anteil der Wertschöpfung entrissen und einseitig auf die Konten der Aktionäre und Spitzenmanager überwiesen wird, werden die Grundsätze der Gerechtigkeit verletzt.

Mit freundlichen Grüßen

— Professor Friedhelm Hengsbach SJ.,

Leiter des Oswald-von-Nell-Breuning-Instituts

für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik

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