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Meinung: So obszön ist nicht mehr schön

„Kunst darf alles“ vom 1. Oktober 2006 Das Plädoyer für die Aussage „Kunst darf alles“ ist schon in dieser Kernaussage falsch.

„Kunst darf alles“ vom 1. Oktober 2006

Das Plädoyer für die Aussage „Kunst darf alles“ ist schon in dieser Kernaussage falsch. Denn Kunst darf alles, nur nicht, wie der Autor selbst vermerkt, den Holocaust leugnen, denn das ist gesetzlich verboten. Wenn es aber ein Verbot für die Beliebigkeit der künstlerischen Darstellung gibt, dann kann es prinzipiell auch ein zweites, drittes, viertes … Verbot geben. Es kommt nur auf die entsprechende parlamentarische Mehrheit an. So darf Kunst unter Umständen eben nicht alles, auch wenn der Autor es gern hätte.

Eine weitere Aussage (neben anderen) ist kritisch zu sehen. Ich zitiere: „Die Freiheit der Kunst (…), auf der Bühne auch Jesus und Mohammed als abgeschlagene Pappköpfe vorzuführen, ist lediglich die zugespitzte Form einer Freiheit, die für uns alle selbstverständlich ist, weil sie die Grundlage unserer Selbstentfaltung bildet.“ Ich halte diese Aussage für höchst fragwürdig und glaube auch nicht, dass der Autor berechtigt ist, für uns alle zu sprechen. Ich persönlich möchte den Kopf des Sohnes meines Gottes (auch wenn er aus Pappe ist) nicht abgeschlagen auf der Bühne sehen. Das geht mir zu weit, auch wenn man mir vorwerfen sollte, dass ich dies im Namen der Kunst ertragen müsse und dass meine Selbstentfaltung sonst gestört sein würde.

Über die Existenz Gottes wird seit Jahrhunderten gestritten. Aber immer dann wenn der Diskurs Formen annahm, die der Gegenpart nicht ertragen konnte, wurde das Gespräch abgebrochen und oft genug durch Gewalt ersetzt. Ein Diskurs hat immer in gegenseitiger Achtung zu erfolgen, soll er erfolgreich sein. Wenn aber der für mich höchste Wert überhaupt, nämlich Gott, oder um es anders auszudrücken, „Das Heilige“, derart, wie in der Aufführung der Oper „Idomeneo“, verunglimpft wird, dann bin ich nicht mehr bereit, dies zu tolerieren. Den Respekt vor meinem Glauben sehe ich nicht im Streitgespräch gefährdet, wohl aber in einer Darstellung, deren Obszönität kaum zu übertreffen ist.

Das mögen andere anders sehen, aber ich habe Freiheit einerseits immer verstanden als eine Freiheit von etwas, wie sie der Autor ja für die Kunst und ihre Künstler reklamiert, andererseits aber auch als Freiheit für etwas, zum Beispiel als den Verzicht des Angriffs auf die höchsten Werte anderer Menschen in missachtender und beleidigender Form.

Es wird vielleicht Zeit, künstlerische Tabubrüche nicht nur lediglich ästhetisch zu bewerten, sondern sich zu fragen, wo ihre Grenzen sind. Diesen zugegebenermaßen Rückschritt von der bisherigen Freiheit der Kunst haben sich die Künstler dann aber selbst zuzuschreiben.

Dr. Dieter Rogge, Berlin-Gatow

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