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Meinung: Soziale Konflikte lassen sich nicht militärisch lösen

Betrifft: „Neue Herren, alte Welt“ vom 16. Februar 2004 Die Gewalt, die Haiti nicht nur in den 200 Jahren seiner Unabhängigkeit, sondern erst recht in den davor liegenden Jahren seiner Kolonialgeschichte beherrschte, lebt nicht nur in den Köpfen fort.

Betrifft: „Neue Herren, alte Welt“ vom 16. Februar 2004

Die Gewalt, die Haiti nicht nur in den 200 Jahren seiner Unabhängigkeit, sondern erst recht in den davor liegenden Jahren seiner Kolonialgeschichte beherrschte, lebt nicht nur in den Köpfen fort. Sie existiert real in den sozialen Beziehungen innerhalb der haitianischen Gesellschaft und in den Beziehungen zwischen Haiti und dem Weltmarkt.

Die aktuellen Auseinandersetzungen sind Ausdruck dieser krisenhaften Beziehungen. Darauf mit einer militärischen Intervention zu antworten, wie es in Frankreich und zunehmend in den USA diskutiert wird, wäre genau das Falsche. Militärische Interventionen waren immer Teil des Instrumentariums, mit dem andere Mächte Einfluss auf die Geschichte Haitis nahmen – nicht zum Besten der Menschen dort. Mit der Durchsetzung der neoliberalen Entwicklungskonzepte in den 80er Jahren und der Strukturanpassungsmaßnahmen in den 90er Jahren trieben die multilateralen Institutionen haitianische Kleinproduzenten massenhaft in den Ruin. Das Inkrafttreten der Amerikanischen Freihandelszone wird weitere verheerende Folgen für die haitianische Volkswirtschaft bringen.

Im Kern sind es soziale Konflikte, die Haiti erschüttern. Die alten Seilschaften der 1994 aufgelösten Armee und der rechtsextremen Miliz FRAPH profitieren von der Situation. Sie haben längst die Führung des Aufstandes übernommen. Die demokratische Opposition muss endlich davon Abstand nehmen, die Gewalt der Rebellen stillschweigend in ihr Kalkül einzubeziehen. Sollten die Milizen sich durchsetzen, wäre das nicht nur für Präsident Aristide, sondern auch für die demokratische Opposition das Ende.

Bisher gab es auf internationaler Ebene keine echten Bemühungen um zivile Konfliktlösungen in Haiti. Im Gegenteil. Jetzt muss auf die Durchsetzung des Caricom-Friedensplans gedrängt werden. Und Haiti braucht zivilen Beistand: diplomatisch, wirtschaftlich, humanitär, aber keinen militärischen.

Alexander King, Berlin-Tiergarten

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