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Meinung: Verheerend für das Image der Türkei

Berichterstattung zum Fall Marco W. In Ihrem Artikel heißt es, das Justizministerium halte das Verhalten des Jungen nach deutschem Recht nicht für strafbar.

Berichterstattung zum Fall Marco W.

In Ihrem Artikel heißt es, das Justizministerium halte das Verhalten des Jungen nach deutschem Recht nicht für strafbar. Was müssen denn das für Juristen sein, die ihre eigenen Gesetze nicht kennen? Nach deutschem Recht sind sexuelle Handlungen an Kindern (also unter 14 Jahren) nach §176 Strafgesetzbuch strafbar – egal, ob der Täter sich bewusst ist, dass er ein Kind vor sich hat, egal, ob das Kind einwilligt und und und ... Es kommt nur auf das Kindeswohl an: Die Leute im Justizministerium nennen so etwas „abstraktes Gefährdungsdelikt“. Und dann gibt es da noch so etwas wie Offizialdelikte, da wird ermittelt, egal, ob die Eltern, die Beteiligten selber oder sonst wer Anzeige erstattet oder wieder zurücknimmt. Und wenigstens die deutschen Staatsanwälte ermitteln – natürlich und zu Recht!

Der arme Marco W. Stellen Sie sich bloß vor, der Täter wäre ein 17-jähriger türkischer Hotelboy und das Opfer das Kind deutscher Urlauber.

Bernd Schröder, Berlin-Schmargendorf

Eine 13-Jährige wird (Sperma ist wohl ein starkes Indiz) missbraucht, der mutmaßliche Täter verhaftet. Ganz normal, sollte man meinen. Sind Deutsche, die im Ausland sind, etwas Besseres? Jeder wird in der Türkei so behandelt. Ich frage mich, warum reisen Deutsche ins Ausland, beachten dort nicht die Gesetze und sind dann erstaunt, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden?

Auch in Deutschland ist sexueller Missbrauch einer 13-Jährigen strafbar und zwar unabhängig von der Frage, wie alt sie sich ausgibt.

Klaus Koch, Berlin-Schöneberg

So langsam zeigen die nationalen und europäischen Äußerungen zu der Inhaftierung von Marco W. in einem türkischen Gefängnis fast hedonistische Züge. Einige Politiker und auch einige Medien nutzen diese Gelegenheit, um die öffentliche Meinung zur Haltung gegenüber der Türkei bewusst zu beeinflussen. Endlich können die Gegner eines türkischen EU-Beitritts eine handfeste Sache vorzeigen, die sich gut für ihr Ansinnen instrumentalisieren lässt. Marco W. muss für eine Sache herhalten, die ihn vielleicht mehr prägen wird als die türkischen Haftbedingungen.

Dr. Hans-Dieter Seul,

Berlin-Lichterfelde

Ihre mehrfach aufgestellte Behauptung, dass in Deutschland bei ähnlichen Vorfällen genauso gehandelt worden wäre, ist nicht zutreffend. Bei allen Beschuldigungen dieser Art wird von der Kripo sofort ein fachkundiger Kinder-und Jugendpsychologe hinzugezogen, der meist schon durch erste einfühlende Befragungen feststellen kann, ob ein Straftatbestand vorliegt. Ansonsten bestünde auf diesem heiklen Gebiet ständig die Gefahr von Denunziationen und falschen Anschuldigungen. Im vorliegenden Fall ist dies offensichtlich nicht geschehen, sonst hätte schnell festgestellt werden können, dass zwei Jugendliche im gegenseitigen Einvernehmen Flirt mit sexueller Stimulation (Petting) vornahmen, der durch wechselseitige Manipulationen offenbar zum Samenerguss (Ejaculatio praecox) führte. Inwieweit dies bei den Beteiligten zu Irritationen oder Enttäuschungen führte, hätte ebenfalls bei der ersten einfühlsamen Befragung durch Fachpersonen festgestellt werden können. Unverständliche oder widersprüchliche spätere Aussagen wären vermutlich vermieden worden.

Jugendliche Inhaftierte werden bei uns nach der Strafprozessordnung in speziellen Untersuchungshaftanstalten für Jugendliche untergebracht (in Berlin-Plötzensee) und nicht zusammen mit eventuell schon mehrfach vorbestraften erwachsenen Schwerverbrechern. Auch darauf hätte der Tagesspiegel seine Leser hinweisen können.

Schon jetzt sind sich Kriminologen, Strafrechtler und Psychologen einig, dass es sich bei dem Vorfall um ein „exemplarisches Beispiel sozialtypischen Handels unter jungen Menschen“ handelt (Strafrechtlerin und Kriminologin Monika Frommel, Kiel), aber nicht um „sexuellen Missbrauch“.

Für das politische Image der Türkei hat das Ganze in der öffentlichen Meinung eine verheerende Wirkung, wie Luxemburgs Premier Juncker zu Recht betont. Touristen werden sich fragen, ob man in der Türkei wie in einer korrupten Bananenrepublik jederzeit durch Denunziation und unbewiesene Anschuldigungen im Gefängnis landen kann.

Bernd Heller, Berlin-Charlottenburg

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