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Meinung: Vielleicht wurde Dennis schon zu Lebzeiten versteckt

Betrifft: „Ein Kind verschwindet“ vom 26. Juni 2004 Unbestreitbar ist die Tatsache, dass das Verschwinden eines Kindes in Deutschland so lange unentdeckt bleibt, unglaublich und schockierend.

Betrifft: „Ein Kind verschwindet“ vom 26. Juni 2004

Unbestreitbar ist die Tatsache, dass das Verschwinden eines Kindes in Deutschland so lange unentdeckt bleibt, unglaublich und schockierend. Mir erscheint es allerdings merkwürdig, dass in der Berichterstattung fast ausschließlich auf die Versäumnisse zuständiger Ämter nach dem Tod des Kindes eingegangen wird, als wären die Versäumnisse in den Jahren zuvor, als Dennis grausames Ende noch hätte verhindert werden können, weniger schockierend.

Wie kann es sein, dass die Familie dieses Kindes seit 1993 vom Jugendamt betreut wurde, ohne dass jemals auffiel, dass der kleine Junge sich offenbar in einem zunehmend schlechteren Gesundheitszustand befand und allem Anschein nach vernachlässigt, wenn nicht sogar misshandelt wurde. Wozu machen Mitarbeiter des Jugendamtes Hausbesuche, wenn ihnen dabei nicht einmal der lebensbedrohliche Zustand eines Kindes auffällt? Vielleicht hat Dennis Mutter das Kind nicht erst nach seinem Tod, sondern auch schon zu Lebzeiten versteckt. Wie allein muss sich ein kleines Kind fühlen, dem jahrelang jede ärztliche Hilfe vorenthalten wird, das dahinsiechen muss, ohne dass ein Erwachsener aus seiner Umgebung ihm zu Hilfe kommt; nicht einmal eine derjenigen Amtspersonen, die eigentlich für seinen Schutz verantwortlich sind. Jetzt, nach seinem Tod, sehen Tausende in die großen Augen des kleinen Dennis, die da über den Bildschirm flimmern, als wären sie noch unter uns.

Andrea Scholl, Berlin-Wilmersdorf

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