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Meinung: Warum bieten ausgerechnet Wohlfahrtsverbände Ein-Euro-Jobs an?

„Viele Demonstranten ignorieren die Realität“ vom 30. August 2004 Einige sprechen von Zwangsarbeit, die Bundesagentur für Arbeit spricht lieber von „Beschäftigung mit Mehraufwandsentschädigung“, andere wie die AWO, Caritas und DRK freuen sich über spottbillige Arbeitskräfte.

„Viele Demonstranten ignorieren die Realität“ vom 30. August 2004

Einige sprechen von Zwangsarbeit, die Bundesagentur für Arbeit spricht lieber von „Beschäftigung mit Mehraufwandsentschädigung“, andere wie die AWO, Caritas und DRK freuen sich über spottbillige Arbeitskräfte.

Diese sehen in den EinEuro-Jobs einen Ersatz für die ständig sinkende Zahl von Zivildienstleistenden. Das von den Wohlfahrtsverbänden vorgebrachte Argument, sie wollten nur die Vermittlungschancen von Arbeitslosen verbessern, ist ein Scheinargument, da die Eingliederungschancen der Arbeitslosen durch den Ein-Euro-Job überhaupt nicht steigen.

Teilnehmer werden stigmatisiert und es fehlt die Zeit zur aktiven Suche nach einem regulären Job. Zudem geraten die Ein-Euro-Aushilfsarbeiter gegenüber anderen Arbeitssuchenden ins Hintertreffen, weil sie während ihrer „Beschäftigung mit Mehraufwand“ keine Qualifikation erwerben, die sie gegenüber Mitbewerbern aus dem ersten Arbeitsmarkt konkurrenzfähig machen. Trotz der Gefahr, dass Ein-Euro-Jobs mit dem echten Arbeitsmarkt konkurrieren, ernten unsere Politiker mit den Ein-Euro-Jobs enorme Vorteile; Die Arbeitslosen sind von der Straße, notwendige Arbeiten werden bei geringsten Kosten verrichtet und nebenbei wird die Statistik erfreulicher gestaltet. Gleichzeitig profitieren auch AWO, Caritas und Rotes Kreuz von Hartz IV. Sie erhalten monatlich 500 Euro für jeden Ein-Euro-Job. Höchstens 160 Euro erhält der Arbeitslose für 160 Stunden Arbeit, davon muss er den Mehraufwand für Fahrtkosten, Essen und Trinken, Reinigung usw. tragen.

Dies ist die neue soziale Gerechtigkeit. Hartz IV ist für AWO, Caritas und Rotes Kreuz ein profitables Geschäft. Die Kaltschnäuzigkeit, mit der der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Manfred Ragati, die sozial „integrierenden Effekte“ von Hartz IV betont und als absolut notwendig verkauft, ist wahrlich nicht verwunderlich. Die Wohlfahrtsverbände ignorieren, dass Hartz IV die Grundprobleme bei Pflege- und Altenheimen, Krankenhäusern, Kindertagesstätten und Beratungsstellen nicht lösen kann.

Evert Kaleveld, Hamburg

Sehr geehrter Herr Kaleveld,

eine ganze Reihe Ihrer Argumente und Befürchtungen kann ich durchaus teilen. Hartz IV selbst schafft keine Arbeitsplätze. Ob Hartz IV tatsächlich dauerhaft zu integrieren vermag, steht in den Sternen. Wenn es bis spätestens in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres nicht gelingt, spürbar mehr echte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen, läuft Hartz IV ins Leere. Die so genannten Ein-Euro-Jobs wären keine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt, sondern stellten lediglich eine Drehtüre mehr dar im verschachtelten Gebäude bundesdeutscher Beschäftigungspolitik. Was bliebe, wären in erster Linie massive unsoziale Einbrüche bei den Lohnersatzleistungen. Diese stehen alles andere als in den Sternen. Sie werden pünktlich zu Neujahr 2005 Realität sein und erst einmal die Armut in Deutschland vergrößern.

Ob Ein-Euro-Jobs als Chance oder als Stigmatisierung empfunden werden, wird sicherlich sehr vom Einzelfall abhängen. Für den 17-Jährigen ohne Schulabschluss in einer Region mit relativ geringer Arbeitslosigkeit stellt sich die Situation sicherlich anders dar als für den ostdeutschen arbeitslosen Ingenieur mit Familie. Die Fallmanager in den Arbeitsagenturen werden gut beraten sein, behutsam mit dem Instrument der Ein-EuroJobs umzugehen. Dass im Gesetz Kriterien wie Neigung o.ä. überhaupt keine Rolle mehr spielen, stellt ein schweres Manko dar, auf das wir bereits im Vorfeld der Verabschiedung mehrfach hingewiesen haben, ohne jedoch Gehör zu finden. Nichtsdestotrotz und bei allen Bauchschmerzen: Auch unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes werden die Ein-Euro-Jobs eingerichtet werden. Dabei werden auch nicht besetzte Zivildienststellen genutzt werden. Für jemanden, der bereits Jahre arbeitslos ist, für jemanden, der bei allem Bemühen nach der Schule keine Beschäftigung gefunden hat, oder auch für Menschen, die nach der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen wieder den Weg auf den Arbeitsmarkt suchen, können diese Beschäftigungsverhältnisse eine Chance sein. Voraussetzung ist jedoch, dass die Menschen motiviert sind und Wahlmöglichkeiten haben, dass sie eine Eignung für die Beschäftigung mitbringen und vernünftig angeleitet werden. Dass die Jobs bei richtigem Einsatz nicht nur zum Vorteil der Arbeitslosen sein können, sondern auch zum Vorteile der Menschen in Einrichtungen, die wir betreuen, soll gar nicht abgestritten werden.

Wäre es nicht so, wäre es schlimm. Die Ein-Euro-Jobs müssen zusätzlich sein, das darf aber nicht verwechselt werden mit beliebig und überflüssig. Gleichwohl: Die Gefahr, dass schleichend reguläre Beschäftigung verdrängt werden könnte, kann und darf nicht übersehen werden. Wir werden darauf achten!

— Dr. Ulrich Schneider ist Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

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