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Meinung: Was muss der Staat tun, um Zivilcourage zu unterstützen?

Zur Diskussion über Zivilcourage Es stimmt: Ausländische Jugendliche stören in manchen Bezirken sehr. Ich gehe nicht gerne nach Neukölln, Wedding und Moabit.

Zur Diskussion über Zivilcourage

Es stimmt: Ausländische Jugendliche stören in manchen Bezirken sehr. Ich gehe nicht gerne nach Neukölln, Wedding und Moabit. Aber sie stören nicht nur die Deutschen, auch die Ausländer. Mich stören auch deutsche Jugendliche mit ihrer lauten Musik und Schmutz auf den Treppen und im Hof. Wenn ich etwas dagegen sage, antworten sie „Wenn es dir nicht gefällt, geh dahin, woher du kommst“.

Nach meiner Meinung ist das kein Problem von Ausländern oder Deutschen, sondern ein gesellschaftliches Problem. Wir Ausländer und Deutsche müssen gemeinsam Zivilcourage gegen Pöbeln, Drohen, Provozieren zeigen!

Yusuf Mirzanli, Berlin-Reinickendorf

Jahrelang ist den Deutschen Fehlverhalten im Umgang mit Ausländern von Presse und Politikern vorgehalten worden, nun wird mit einem Mal Zivilcourage von jedem Einzelnen und der Gemeinschaft erwartet, um dem Aggressionsverhalten Jugendlicher Migranten entgegenzutreten.

Das ist ein typisches Verhaltensmuster: couragierter Alleingänger, schweigende Mehrheit und zwei herausfordernde arabische Jugendliche, die aus der Praxis wissen, dass mit einer Gegenwehr kaum zu rechnen ist. Es sollte Schluss sein mit dem Duldungsdenken und Wegschauen angesichts der wachsenden Aggression ausländischer Jugendlicher. Wer das Gastrecht und den Verhaltenskodex einer Gesellschaft mit Füßen tritt und bespuckt, gehört zur Ordnung gerufen, das sollte erste Bürgerpflicht sein, und sich nicht von einer Handvoll Jugendlicher ins Bockshorn jagen lassen. Eine härtere Gangart auch seitens des Staates ist vonnöten, nur in der Gemeinsamkeit kann das zarte Pflänzchen Zivilcourage wachsen.

Ehrengard von Wickede, Berlin-Schmargendorf

Sehr geehrte Frau von Wickede,

Sehr geehrter Herr Mirzanli,

was heißt eigentlich „Zivilcourage“? Ursprünglich war damit das Auftreten des mutigen Bürgers gegenüber der staatlichen Autorität gemeint. Aber darum geht es hier nicht. Hier geht es um das Einstehen der Menschen füreinander, um Solidarität: Mische ich mich ein, wenn ich beobachte, wie Jugendliche eine Hauswand besprühen? Helfe ich der jungen Frau, die in der U-Bahn bedrängt wird?

Das Problem fehlender Solidarität kann nicht allein der Staat lösen. Die Szenen, um die es hier geht, spielen sich ja gerade ohne die Anwesenheit des Staates ab. Die Menschen sind auf sich gestellt. Eine Allgegenwart des Staates, in der mitmenschliche Solidarität nicht so wichtig ist, weil der immer präsente Staat sofort einschreitet, wünscht sich auch niemand.

Extreme Fälle nichtsolidarischen Verhaltens sind bei uns unter Strafe gestellt: Wer bei Unglücksfällen oder allgemeiner Gefahr oder Not nicht hilft, obwohl es ihm zumutbar ist, wird bestraft. Der Staat kann also Druck auf seine Bürger ausüben, sich solidarisch zu verhalten.

Dem Opfer ist es gleichgültig, aus welchen Motiven heraus der andere ihm Hilfe leistet. Dennoch wünschen wir uns eine Solidarität, die nicht staatlich erzwungen ist. Die Zivilcourage, die Solidarität, die wir meinen, bedeutet: Ich helfe, weil ich mich für den anderen verantwortlich fühle.

Dieses Verantwortungsgefühl zu schaffen, ist nicht zuerst staatliche Aufgabe. Es ist Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Menschen zu erziehen. In diesem Erziehungsziel werden sie später von den Lehrern ihrer Kinder unterstützt. Auch der Staat wird seine Bürger ermutigen, sich solidarisch zu verhalten. Das tut die Berliner Polizei, indem sie seit Jahren Anti-Gewalt-Programme anbietet. In diesen Trainings wird nicht nur geübt, wie man sich als (mögliches) Opfer eines Übergriffs verhalten soll, sondern auch, wie man mit aggressiven Menschen umgeht und die Situation am besten entschärfen kann. Dabei besteht die wirkungsvollste Hilfe oft darin, dass man sich staatliche - polizeiliche - Hilfe holt. Niemand verlangt also, dass man sein Leben oder seine Gesundheit riskiert, um einem anderen zur Seite zu stehen. Oft genügt auch nur ein Blick, der sagt: Ich sehe, was du tust, hör auf!

Die jetzige Debatte ermutigt mich. Sie zeigt, dass die Menschen in Berlin eben nicht wegsehen, sondern sich einmischen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Ehrhart Körting (SPD),

Senator für Inneres, Berlin

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