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Meinung: Wie kann man junge Ausländer vom Weg in die Kriminalität abhalten?

„Kriminalität geht zurück – aber nicht bei Migranten-Kids“, „Gute Zahl, schlechte Zahl“ vom 7. März und „Eine verlorene Jugend“ vom 8.

„Kriminalität geht zurück – aber nicht bei Migranten-Kids“, „Gute Zahl, schlechte Zahl“ vom 7. März und „Eine verlorene Jugend“ vom 8. März 2006

Dass die Kriminalitätsrate bei ausländischen Jugendlichen steigt, wundert mich ehrlich gesagt nicht. Da macht sich schlicht und einfach die Kurzsichtigkeit bei der Verteilung der wenigen vorhandenen Mittel bei der (erzwungenen) Sparpolitik des Berliner Senats bemerkbar.

Da die im Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Gelder immer knapper werden, sind auch die Angebote für Jugendliche in Schulen, Jugendfreizeitheimen, Projekten etc. deutlich zurückgegangen. Auch die meisten Berliner Sportvereine klagen über sinkende Beitragseinnahmen, weil die oft arbeitslosen Eltern keine vollen Vereinsbeiträge mehr zahlen können. Das heißt, auch die Vereine mussten in den letzten Jahren ihre Angebote für Jugendliche einschränken. Die Ersten, die dabei durchs Sieb fallen, sind die, die ohnehin am schwersten zu erreichen sind: Die aus sozial schwachen, bildungsfernen und ausländischen Familien stammenden Jugendlichen. Verringert sich das Angebot, steigt nicht etwa die Nachfrage, sondern die Kids beschäftigen sich selbst – auf der Straße.

Bei der Perspektivlosigkeit, der sich insbesondere viele ausländische Jugendliche mit auch durch oft mangelhafte Kenntnisse der deutschen Sprache bedingten schlechten oder gar nicht vorhandenen Schulabschlüssen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gegenübersehen, ist die Tendenz dann in der Kriminalitätsstatistik ablesbar. Da muss dringend gegengesteuert werden, auch wenn der Sparzwang bei der desolaten Finanzsituation vorhanden ist.

Berlin tut in der Richtung offensichtlich zu wenig.

Die Zeche zahlen wir dann später: Irgendwann drohen uns unter Umständen Verhältnisse wie sie bei den Krawallen in den französischen Vorstädten vor nicht allzu langer Zeit sichtbar wurden.

Klaus Winterberg, Berlin-Neukölln

Sehr geehrter Herr Winterberg,

Politik beginnt, wenn man ausspricht, was ist und nicht nur, was sein soll. Aus falsch verstandener Toleranz sind Fehlentwicklungen in Deutschland jahrzehntelang nicht zur Kenntnis genommen worden:

In den Großstädten haben kulturelle und soziale Verwerfungen zu Parallelgesellschaften geführt, in denen die elementaren Grundlagen unserer Gesellschaft nicht mehr oder kaum noch zu erkennen sind.

Klar ist deshalb: Wir brauchen eine koordinierte Politik des Förderns und Forderns, um die Integration zu erreichen. Geld allein löst das Problem von Jugendgewalt und Jugendkriminalität nicht. Aber ich stimme Ihnen zu: Wenn man nicht früh investiert, muss man gezwungenermaßen spät und unter hohen Kosten reparieren.

Deshalb haben wir in den letzten Jahren mehr in sozialen Brennpunkten, in Schulen und für die Integration von Menschen aus anderen Kulturen getan, als je zuvor:

In diesen Quartieren schaffen wir Netzwerke zur sozialen Stadtentwicklung, konzentrieren wir die Mittel für die Erwachsenenbildung und für Sonderprogramme, zum Beispiel das Schul- und Sportanlagen- sowie das Kitasanierungsprogramm, bauen wir die Ganztagsschulen aus und senken wir die Frequenzen in Kitas und Schulen. Wir fördern seit diesem Jahr die Sozialarbeit an den Hauptschulen und unsere Schulen kooperieren in ihren Kiezen mit Jugendarbeit, Sportvereinen, Unternehmen und Kultureinrichtungen. Mit der Wirtschaft haben wir das Netzwerk Hauptschulen gegründet.

Unser Ziel ist es, die Zahl der Hauptschüler zu verdoppeln, die einen Ausbildungsplatz erhalten. Senat und Bezirke arbeiten zusammen in der Landeskommission gegen Gewalt. Hieraus sind wirkungsvolle Präventionsprojekte gewachsen, in denen Bürger und Polizei gemeinsam und aktiv für das gesellschaftliche Leben in den Kiezen arbeiten. Klar ist aber auch: das Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel zu Bildungs- und Berufserfolg: Deswegen setzen wir den Schwerpunkt auf die Deutschförderung – und zwar von den Kitas bis zu den Sprachkursen für Mütter.

Diese Maßnahmen können nicht sofort greifen. Dazu ist Berlin zu groß, zu vielfältig und hat zu viele kulturelle und soziale Herausforderungen.

Ja, unsere Politik des Förderns und Forderns braucht finanzielle Mittel. Aber wir müssen auf Haltungen Einfluss nehmen: Wir müssen die Entwicklung stoppen, dass sich Menschen aus anderen Kulturen innerlich und äußerlich von unserer toleranten und demokratischen Gesellschaft abwenden. Deshalb sage ich ganz deutlich: Diese Jugendlichen sind nicht verloren. Mit ihrem Begabungspotenzial sind sie ein wichtiger Teil der Zukunft dieser Stadt.

Mit freundlichen Grüßen

— Klaus Böger (SPD), Senator für Bildung,

Jugend und Sport, Berlin

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