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Meinung: Wie wird Hartz IV für Arbeitslose ein Erfolg?

„Aus Fehlern lernen“ vom 29. Juni 2005 Es gibt nun fast ein halbes Jahr ALG II und es hat sich für mich nichts verbessert, es ist nur aufwändiger und viel unübersichtlicher geworden.

„Aus Fehlern lernen“ vom 29. Juni 2005

Es gibt nun fast ein halbes Jahr ALG II und es hat sich für mich nichts verbessert, es ist nur aufwändiger und viel unübersichtlicher geworden. Aufwändiger, weil die Stellen, die meinen „Fall“ bearbeiten, kontinuierlich und ohne System aus meinem näheren Umfeld „ausgelagert“ werden. Unübersichtlicher, weil nicht einmal die Bearbeiter so richtig wissen, wie mit den neuen Gesetzen (oder gibt es da gar keine ausgereiften konkreten Vorgaben?) umgegangen werden soll.

Seitdem ich die Leistungen für ALG II beantragt habe, mache ich auch noch eine völlig neue Erfahrung: Ausgrenzung, Diffamierung und Diskriminierung.

Ich möchte nicht darüber spekulieren, wie es dazu kam, dass ich in dieser Situation bin. Ich bin Jahrgang 1952, habe eine gute Ausbildung als Dipl.-Designer, zahlreiche Zusatzqualifikationen und man hat mir soziale und Führungskompetenzen in meinen Arbeitsbereichen bescheinigt.

Die nötigen Gänge zu den entsprechenden Ämtern machen mir den sozialen „Abstieg“ so richtig fühlbar. Endloses Anstehen an diversen Schaltern, für deren Bearbeiter Diskretion ein Fremdwort ist. Unfreundlicher und teils inkompetenter Kundenservice. Permanenter Wechsel der Örtlichkeiten, bedingt durch Zusammenlegungen und Rationalisierungen, die aber dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden. Wer sind diese Ämter und Institutionen, für die meine Zeit keinen Wert hat? Wenn meine Zeit aber keinen Wert hat, welchen Wert habe dann ich als Person, als arbeitsfähiges und arbeitswilliges Mitglied dieser Gesellschaft?

Und: Kann sich ein so hoch industrialisiertes Land wie Deutschland leisten, auf so ein Bildungs- und Intelligenzpotenzial zu verzichten, das in ALG II brachliegt?

Mirjam Kracht, Berlin-Mitte

Sehr geehrte Frau Kracht,

der Ombudsrat – Grundsicherung für Arbeitsuchende hat in dieser Woche seinen Zwischenbericht veröffentlicht. Hierin werden auch die Schwierigkeiten angesprochen, die sich aus der Neuorganisation der Verwaltungen ergeben. Der Aufbau der neuen Verwaltungsstrukturen, die Koordination zwischen den unterschiedlichen Trägern erforderte von allen Beteiligten einen hohen Einsatz. In der Tat haben diese organisatorischen Probleme für die Empfängerinnen und Empfänger der neuen Grundleistung nicht selten zu Irritation über administrative Zuständigkeiten geführt. Der Ombudsrat hat empfohlen, hier zu eindeutigen und klaren Zuständigkeiten zu kommen. Zu Beginn dieser Woche haben der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit diesen Problemen Rechnung getragen und klare Zuständigkeitsregelungen für die Jobcenter vorgestellt. Wir hoffen, dass sich in kürzester Zeit dadurch die Situation vor Ort verbessern wird.

Der Ombudsrat hat in seinem Zwischenbericht ebenfalls festgestellt, dass die Auszahlung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II. Buch) ab dem 1. Januar 2005 zunächst Vorrang hatte bei den neuen Trägern der Grundsicherung. Er erwartet aber jetzt, dass die Instrumentarien für eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik vor Ort kreativ und effizient eingesetzt werden, um Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Dabei gilt es, die Kompetenzen, die sich aus der Kenntnis kommunaler Integrationsmöglichkeiten auf der einen und bundesweiter Vermittlungsmöglichkeiten auf der anderen Seite ergeben, intensiv zu Gunsten der langzeitarbeitslosen Menschen zu nutzen, die oftmals über gute Qualifikationen verfügen.

Für den Ombudsrat ist die Einführung der neuen Grundsicherung für Arbeitsuchende ein richtiger Schritt, um Menschen aus der Langzeitarbeitslosigkeit wieder in den Erwerbsprozess einzubeziehen. Dabei erfordert die Schaffung neuer Beschäftigung für nahezu zwei Drittel der arbeitslosen Menschen in Deutschland Offenheit, Solidarität und Akzeptanz der ganzen Gesellschaft. Dies nicht zuletzt, um bei den von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Bürgerinnen und Bürgern nicht den Eindruck der Ausgrenzung, sondern den der Eingliederung zu vermitteln.

Wir wissen, dass eine große Zahl der Bezieherinnen und Bezieher von Leistungen nach dem SGB II eine aktive Einbindung und Teilhabe in den Erwerbsprozess auch unter Inanspruchnahme von Zusatztätigkeiten mit Mehraufwandsentschädigung anstreben. Der Ombudsrat wird im weiteren Verlauf seiner Tätigkeit und bei weiteren Besuchen bei den neuen Trägern der Grundsicherung Art und Umfang der Vermittlungsaktivitäten aufmerksam begleiten und besonders darauf achten, dass die verfügbaren arbeitsmarktpolitischen Instrumente schnellstmöglich zur Anwendung kommen.

— Dr. Christine Bergmann (SPD), Mitglied des Ombudsrates – Grundsicherung für Arbeitsuchende, Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend a.D.

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