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Meinung: Zweierlei Maß

Betrifft: „Die Angst vor der Lücke“ im Tagesspiegel vom 18. Juni 2003 Ist ein Angeklagter (und angeklagt ist er noch nicht mal) nicht unschuldig, bis seine Schuld erwiesen ist?

Betrifft: „Die Angst vor der Lücke“ im Tagesspiegel vom 18. Juni 2003

Ist ein Angeklagter (und angeklagt ist er noch nicht mal) nicht unschuldig, bis seine Schuld erwiesen ist? Oder gilt das nur für bestimmte Menschen? Man wird die Vermutung nicht los, dass im Fall Friedman wieder mal mit zweierlei Maß gemessen wird. Vielleicht liegt es an seinem Gesicht, an dem, was er ist, oder an dem, was er für viele verkörpert, nämlich ein Judentum, das sich wehrt und nicht immer nur in der Opferrolle ist.

Seit Tagen ziehen sich die infamen Beschuldigungen durch die Presse. Zuerst der Kokainvorwurf, wobei vergessen wird, dass der Konsum nicht strafbar ist. Nachdem die Tütchen nicht mehr allzu viel hergaben, sind es jetzt Prostituierte, die er angeblich zum Kokainkonsum verleitet hätte.

Erinnert man sich daran, wie die Vorwürfe gegen Christoph Daum gelaufen sind, als er beschuldigt wurde, Kokain zu nehmen? Ein Aufschrei der Entrüstung ging durchs Land, die Unschuldsvermutung: Er doch nicht!

Friedman ist nicht Daum. Sein Fall wiegt schwerer. Wieso? Mit ihm kann man so gut seine Vorurteile gegen den Juden in Kleinen und die jüdische Weltverschwörung im Großen pflegen. Ach wie gut, wenn man den kleinbürgerlichen, braunen Vorurteile wieder Auslauf geben kann. Und da offenbart sich, was dahinter steckt: Neid auf einen eloquenten und kompromisslosen Vertreter des deutschen Judentums, spießige Missgunst und ein gehöriger Schuss Antisemitismus, anders lässt sich die doppelte Moral in den Fällen Daum und Friedman kaum erklären.

Gabriele Brenner, 1. Vorsitzende Jüdische

Gemeinde Weiden

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