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Leserkommentar: Fall Guttenberg: Prüfungskommission hat versagt

Unser Leser Prof. Dr. Ing. Peter Marx nimmt sich die Promotionsordnung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Bayreuth vor, um das Versagen der Prüfungskommission im Fall zu Guttenberg zu belegen.

In kursiver Schrift die Auszüge aus der Promotionsordnung (Hervorhebungen durch den Verfasser):

„Nach der formalen Zulassung zur Promotion und der ehrenwörtlichen Erklärung des Bewerbers darüber, dass er die Dissertation selbständig verfasst und keine anderen als die von ihm angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt hat, bestellt der Dekan zur Berichterstattung über die Dissertation unverzüglich zwei Gutachter, von denen einer Ordinarius sein soll. Wurde die Dissertation im Rahmen eines Doktorandenverhältnisses angefertigt, so ist in der Regel der erste Berichterstatter (der sogenannte Doktorvater)* die prüfungsberechtigte Person, die die Dissertation betreut hat (Prof. Dr. Häberle, 77 Jahre!)*. Prüfungsberechtigt im Sinne dieser Promotionsordnung sind Hochschullehrer und Professoren im Ruhestand.“

Beim Deutschen Patentamt werden immer wieder Erfindungen für ein nach wissenschaftlichen Erkenntnissen unmögliches Perpetuum Mobile eingereicht. Die hauptamtlichen Patentprüfer lehnen diese Anmeldungen anhand ihrer Sachkenntnis stets ab. Es ist nicht bekannt, dass diese verantwortungsvolle Prüfungstätigkeit von Patentamts-Ruheständlern, die das siebzigste Lebensjahr weit überschritten haben, noch ausgeübt werden darf. An Universitäten ist das aber leider der Fall. Diese Praxis sollte daher abgeschafft oder zumindest für professorale Universitätspensionäre zeitlich beschränkt werden.

„Vor Annahme eines Doktoranden soll nach Möglichkeit geklärt werden, wer aus der Fakultät das Zweitgutachten erstellen wird (Zweitgutachter war Prof. Dr. Streinz, 58 Jahre)*.

Jeder Berichterstatter gibt innerhalb einer angemessenen Frist ein schriftliches Gutachten über die Dissertation ab und schlägt dem Dekan die Annahme, die Rückgabe zur Verbesserung oder die Ablehnung der Dissertation vor.“

Wie bekannt, hat Prof. Dr. Fischer-Lescano (39 Jahre) von der Universität Bremen im Rahmen einer Rezension für eine Fachzeitschrift die bekannten Ungereimtheiten festgestellt, wobei sein Arbeitsaufwand signifikant geringer als der Betreuungsaufwand des oben genannten Doktorvaters anzunehmen ist, das heißt, Prof. Dr. Häberle hätte aufgrund der langjährigen Betreuung des Promotionskandidaten diese Plagiate entdecken müssen. Auch dem zweiten Berichter hätte die eingereichte Dissertation verdächtig vorkommen müssen.

„Der Dekan bestellt einen dritten Berichterstatter, wenn die zwei Berichterstatter bei ihrer Bewertung um mehr als eine Note voneinander abweichen, einer der Berichterstatter die Ablehnung der Dissertation vorschlägt oder einer der Berichterstatter die Bestellung eines weiteren Berichterstatters verlangt. Die Promotionskommission kann auch von sich aus bis zu zwei weitere Gutachter bestellen, sofern sie es für erforderlich hält, um eine sachgerechte Beurteilung zu gewährleisten.“

Von diesen Möglichkeiten wurde nicht Gebrauch gemacht, da offensichtlich beide Gutachter die Traumnote: „summa cum laude = 1 = eine ganz hervorragende Leistung“  für angemessen hielten.

„Der Dekan kann die Dissertation dem Bewerber zur Verbesserung zurückgeben; er muss dies tun, wenn einer der Berichterstatter die Rückgabe der Arbeit zur Verbesserung verlangt. Die überarbeitete Dissertation ist binnen eines Jahres erneut vorzulegen. Die Frist kann in begründeten Ausnahmefällen um ein weiteres Jahr verlängert werden.“

Von dieser gebotenen Möglichkeit wurde leider kein Gebrauch gemacht. Die schriftlichen Gutachten sollten wg. der Brisanz der Angelegenheit öffentlich gemacht werden, damit der Bürger sich ein Bild von den Bewertungsmaßstäben dieser hochkarätigen Hochschul-Prüfer machen kann. Die Berichterstatter hätten die Möglichkeit gehabt, großen Schaden vom Minister, der nicht einmal Volljurist ist, abzuwenden, indem sie die Arbeit nach Durchsicht zunächst abgelehnt und ggf. umfangreiche Nachbesserungen verlangt hätten, denn die gravierenden Mängel hätten sie erkennen müssen. Ungeachtet dessen hat natürlich der Doktorand sein Fehlverhalten auch voll zu verantworten.

„Die Gesamtnote der Dissertation ergibt sich grundsätzlich aus dem arithmetischen Mittel der von den Berichterstattern vorgeschlagenen Noten. Der Dekan bestellt einen dritten Berichterstatter, wenn die zwei Berichterstatter bei ihrer Bewertung um mehr als eine Note voneinander abweichen, einer der Berichterstatter die Ablehnung der Dissertation vorschlägt oder einer der Berichterstatter die Bestellung eines weiteren Berichterstatters verlangt. Die Promotionskommission kann auch von sich aus bis zu zwei weitere Gutachter bestellen, sofern sie es für erforderlich hält, um eine sachgerechte Beurteilung zu gewährleisten.

Der Dekan kann die Dissertation dem Bewerber zur Verbesserung zurückgeben; er muss dies tun, wenn einer der Berichterstatter die Rückgabe der Arbeit zur Verbesserung verlangt. Die überarbeitete Dissertation ist binnen eines Jahres erneut vorzulegen. Wird die Dissertation nicht fristgerecht vorgelegt, so gilt sie als abgelehnt. Eine überarbeitete Dissertation ist nach dem Sach- und Wissensstand zur Zeit der Neuvorlage zu beurteilen.“

Das alles ist nicht geschehen!

Lesen Sie weitere Ausführungen und das Fazit von Herrn Marx auf der nächsten Seite!

„In angemessener Frist nach Annahme der Dissertation findet ein wissenschaftliches Kolloquium vor dem Prüfungsausschuss statt. Dem Prüfungsausschuss gehören an:

1. ein Ordinarius als Vorsitzender;

2. der Erstberichterstatter;

3. eine weitere prüfungsberechtigte Lehrperson, die in der Regel der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät angehören soll.

Das Kolloquium (mündliche Prüfung)* ist eine kollegiale Einzelprüfung. Es besteht in einer wissenschaftlichen Aussprache und bezieht sich vor allem auf die Grundlagen der Dissertation sowie auf Probleme, die sachlich oder methodisch mit der Dissertation zusammenhängen. Die wissenschaftliche Aussprache soll darüber hinaus zeigen, ob der Bewerber im Falle der rechtswissenschaftlichen Promotion weitere Bereiche und neuere Entwicklungen des Fachgebiets, aus dem die Dissertation entnommen ist, beherrscht. Das Kolloquium dauert 60, höchstens 90 Minuten. Es wird vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses geleitet. Das Kolloquium ist grundsätzlich nicht öffentlich. Der Vorsitzende kann mit Zustimmung des Bewerbers Personen, die sich im Promotionsverfahren befinden, als Zuhörer zulassen. Als Zuhörer teilnehmen können außerdem alle prüfungsberechtigten Lehrpersonen der Fakultät, der Universitätspräsident sowie der für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs zuständige Vizepräsident.

Über den Gang des Kolloquiums ist eine Niederschrift anzufertigen. Die Niederschrift muss Angaben enthalten über

1. den Tag des Kolloquiums,

2. die Namen des Vorsitzenden und der übrigen Prüfer,

3. den Namen des Bewerbers,

4. den Gegenstand der Prüfung,

5. die Noten der einzelnen Prüfungsleistungen sowie die Gesamtnote der Kolloquiumsleistung.

Die Niederschrift ist vom Vorsitzenden und den anderen Mitgliedern des Prüfungsausschusses zu unterzeichnen. Die Benotung des Kolloquiums erfolgt durch den Prüfungsausschuss nach gemeinsamer Aussprache der Prüfer und richtet sich nach der Notenskala gemäß § 10 Abs. 2. Jeder Prüfer gibt eine Einzelnote. Die Gesamtnote des Kolloquiums errechnet sich aus dem arithmetischen Mittel der Einzelnoten.

Gesamtbeurteilung der Promotionsleistungen

Die Doktorprüfung ist bestanden, wenn die Dissertation angenommen und das Kolloquium bestanden ist. Die Gesamtnote der Promotion ergibt sich aus der Summe der doppelten Note der Dissertation und der einfachen Note des Kolloquiums geteilt durch drei. Für die Gesamtnote gilt folgendes Bewertungsschema:

bis 1,5 = summa cum laude

über 1,5 bis 2,5 = magna cum laude

über 2,5 bis 3,5 = cum laude

über 3,5 bis 4,0 = rite“

Auch in der mündlichen Prüfung kamen alle Prüfer offenkundig zum Ergebnis „summa cum laude“.

Ungültigkeit der Promotionsleistungen

Ergibt sich vor der Aushändigung der Urkunde, dass sich der Bewerber im Promotionsverfahren einer Täuschung schuldig gemacht hat, so erklärt die Promotionskommission alle bisher erworbenen Berechtigungen für ungültig und stellt das Verfahren ein. Wird die Täuschung erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so kann nachträglich die Doktorprüfung für nicht bestanden erklärt werden. Die Entscheidung trifft die Promotionskommission. Waren die Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion nicht erfüllt, ohne dass der Kandidat hierüber täuschen wollte, und wird diese Tatsache erst nach Aushändigung der Urkunde bekannt, so wird dieser Mangel durch das Bestehen der Doktorprüfung geheilt.

Wird die Prüfung für nicht bestanden erklärt, ist die Promotionsurkunde einzuziehen.

Im Übrigen richtet sich der Entzug des Doktorgrades nach dem Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 (BayBSErgB, S. 115).“

Sämtliche Prüfungsbeteiligten haben den eingereichten „475-seitigen zähen juristischen Brei, angerührt mit diversen fremden Zutaten“ (scherzhafte Bezeichnung), offenkundig nicht ordnungsgemäß begutachtet mit dem bekannten fatalen Ergebnis.

Fazit: Diese Negativleistung muss sich auch die Prüfungskommission der Universität Bayreuth anrechnen lassen!

Peter Marx

*) mit Sternchen gekennzeichnete Textstellen sind Anmerkungen des Verfassers

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