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"Hier möchte ich Ihnen meinen absoluten  Berliner Lieblingsplatz vorstellen, eine dunkle Perle unter den Un-Plätzen der Stadt, ein Platz, der noch nicht einmal einen Namen hat, weil er so unentdeckt, beziehungsweise so vergessen ist." Diesen namenlosen Platz an der Ackerstraße in Wedding entdeckte unsere Leserin Ruth Kramarz. Liebe Lesererinnen, liebe Leser! Kennen Sie auch Berliner Plätze in Ihrer Nachbarschaft, die dringend eine Verschönerungskur bräuchten? Senden Sie uns Ihre Ideen und Fotos an leserbilder@tagesspiegel.de

© Ruth Kramarz

Leserkommentar: "Dieser Ort ist Höhle, Heimat, Horror"

Einige Berliner Plätze bleiben namenlos und vergessen. Geschätzt werden sie trotzdem - von Anwohnern. Unsere Leserin Ruth Kramarz wünscht sich, dass das graue Rund unter einer Brücke in Wedding gewürdigt wird. Senden Sie uns Ihre Ideen und Fotos!

Hier möchte ich Ihnen meinen absoluten  Berliner Lieblingsplatz vorstellen, eine dunkle Perle unter den Un-Plätzen der Stadt, ein Platz, der noch nicht einmal einen Namen hat, weil er so unentdeckt, beziehungsweise so vergessen ist.

Ich dachte lange Zeit, dass er "Gartenplatz" hieße, aber der Gartenplatz liegt nur in der Nähe. Mein Platz ist ein ziemlich kleines, staubig-grau-grünes Rund, von dem fünf Straßen abgehen: die Gartenstraße, die Liesenstraße, die Ackerstraße und die Scheringstraße, genau dort, wo der Wedding am tiefsten ist, das Arbeiter-, AEG-Wedding nach dem Ersten Weltkrieg. Das Imposanteste ist die gigantische, verrostete Eisenbahnbrücke, die quer über den Platz führt und diesen darunter verschwinden lässt. Unterstützt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass der Platz in einer Art Senke liegt, unterhalb des Humboldhains, dass man hier förmlich hineinrutscht wie in einen Kohlenkeller. Dieser Ort ist Höhle, Heimat, Horror. Wenige Menschen mit Hunden, Kindern und klappernden Tüten schlurfen vorbei, ohne aufzublicken, in der Sackgasse der Ackerstraße bleiben die Dealer ungestört. Die Eisenkonstruktion des versunkenen Industriezeitalters trohnt monströs darüber.

Wenn ich diesen Platz gestalten könnte, würde ich ihn mit den Steinen, die als Füllmaterial von Eisenbahnschwellen benutzt wurden, auffüllen. Eine spärliche Installation  vielleicht, aus alten Maschinenteilen von AEG oder Haushaltsgeräten aus den ehemaligen Mietskasernen der umliegenden Straßen (z.B. der Meyer-Höfe): alte Blech-Mülleimer, Töpfe, Kohlenstiegen... auf keinen Fall begrünen! Höchstens vielleicht ein paar mickrige Birken und Friedhofsunkraut.

Ich wünsche mir, dass dieser Platz einerseits so geheimnisvoll und verwunschen bleibt wie er ist, und andererseits sein morbider und moribunder Klang gewürdigt und aufgewertet wird.

Liebe Leserinnen und Leser: Gehen Sie auch oft an einem Platz vorbei, der dringend eine Verschönerung bräuchte? Senden Sie uns Ihre Fotos und Ideen. Neben der Möglichkeit, bei uns im Forum zu kommentieren und zu diskutieren (siehe die Kommentarfunktion etwas weiter unten auf dieser Seite), möchten wir Ihnen auch anbieten, uns ausführlichere Leserkommentare per E-Mail zu schicken, bitte an leserbriefe@tagesspiegel.de. Bitte schreiben Sie "Leserkommentar" in die Betreffzeile der E-Mail.

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