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Daumen rauf, Daumen runter? Chefingenieur Hany Azer (r.) gibt bei S21 auf.

© dpa

Leserkommentar: Hany Azers unrühmlicher Ausstieg

Unser Leser Walter Dewner hält den Rücktritt Hany Azers als Chefbauleiter von Stuttgart 21 für einen überfälligen Schritt und kritisiert dessen Arbeit scharf. Diskutieren Sie mit oder schicken Sie uns selbst einen Leserkommentar!

Ein kleiner Mann lacht in dieser Woche in Zeitungen den Lesern entgegen. Anlass ist der unrühmliche Ausstieg aus leitender Position des Großprojektes Stuttgart 21. Dargestellt wird das Ausscheiden nach erst 3 Jahren damit, dass er bedroht würde! Aber doch nicht von Stuttgartern Bürgern, eher wohl -wenn überhaupt- aus eigenen Branchenkreisen. Er hatte es in seiner Selbstüberschätzung einfach überzogen, dass Fass läuft über. Dieser Duz-Freund von Bahnvorständen ist endlich an seine Grenzen gestoßen. Weder ist er ein Tunnel-Experte par excellence noch war er jemals ein Chef-Planer in Stuttgart oder wie hier nun gestern am Freitag geschrieben ein Chefbauleiter.

Seine Einbildung über sein Können und die Wahrnehmung seiner vermuteten Beliebtheit offenbart Hany Azer in solchen Aussagen wie: Die Berliner haben mich bejubelt und beklatscht. Ich würde den Hauptbahnhof umarmen, wären meine Arme nur lang genug. Bis heute erhalte ich regelmäßig Anrufe von Menschen aus aller Welt, die mir Fragen stellen. Über die Einladung bin ich sehr glücklich: man hat mich in Berlin nicht vergessen. Ich vermisse diese Stadt.

Wie vergesslich sind doch Politiker und Journalisten!

Zur Auffrischung:

Vor 10 Jahren übernahm Hany Azer die Projektleitung des PZ 1 an der Invalidenstrasse und wurde zuständig für den „Lehrter Bahnhof“. Zunächst verbummelte er Termine und „organisierte“ die inneren Strukturen der Projektleitung in seinem Sinne neu. Von einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit Sitz am Potsdamer Platz ließ er sich bescheinigen, dass das veranschlagte Geld nicht reichen würde. Und so wurde es teurer und teurer.

Ein Jahr später, vor Angst, nun den Bauzeitenplan nicht mehr einhalten zu können, es ging damals um den Umschwenkungstermin vom alten auf das neue Gleisbett nach Süden der Stadtbahn, führte H. A. dem pragmatischen Hartmut Mehdorn anhand eines Modells vor, dass ein wesentlich kürzeres Glasdach Ost-West lang genug sei, einem doppelten ICE beim Halt im Trockenen stehen zu lassen. Nur der Lokführer bekäme einen nassen Kopf, wenn er denn aussteige, Hartmut Mehdorn, ohne sich als studierter Techniker einen Plan anzuschauen, glaubte dem Modell und diesem Unsinn. Beide verspielten Männer berücksichtigten allerdings nicht die maßstäbliche Verfälschung der Waggons. Ein jeder kann sich noch jetzt am Modell vor dem Hertha-Shop Ebene -1 von diesem simplen Täuschungsmanöver überzeugen. Das Glasdach wurde wie bestellt in voller Länge gefertigt, geliefert und bezahlt! Die Verkürzung kostete durch strukturelle Änderungen noch mal mehrere Millionen. Mit der viel späteren Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hatte diese gravierende Fehlentscheidung aber auch gar nichts zu tun.

Nur 9 Monate nach der bombastischen Einweihung des Bahnhofs – Hany Azer stand im Zenith seines Wirkens in Berlin, gekrönt mit dem Verdienstorden – fielen einige Stahlriegel aus der Fassade des westlichen Bügelbaus. Alle anderen oder höhere Mächte wie der Sturm Kyrill hatten die Schuld. Tatsache war, dass auch in diesem Falle der Projektleiter die Verantwortung für diesen erheblichen Baumangel trug. Feige und schweigsam verdrückte er sich hinter dem Rücken seines Mentors Mehdorn.

Hanys jetziger Ausdruck der Freude, dass er glücklich über die Einladung sei und man ihn nicht vergessen hätte, mag vielen wie eine Drohung erscheinen. In den Bahnstrukturen hofft man, dass der Ungeist endlich daheim bleibt, auch wenn er diese Stadt vermisse. Darum: Bleibe in Dortmund!

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Walter Dewner

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