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Der Kurfürstendamm wird 125 Jahre alt. Das wird unter anderem mit einer Ausstellung entlang Berlins berühmten Boulevards gefeiert.

© Doris Spiekermann-Klaas

Leserkommentar: Straßenbahnen auf den Ku'damm!

Anlässlich des Ku'damm-Jubiläums entwirft unser Leser Reinhard Schulz seine Vision für die Umgestaltung des Kurfürstendamms - und setzt auf eine Renaissance der Straßenbahn. Diskutieren Sie mit oder schreiben Sie selbst einen Leserkommentar

Ich verfolge die Ku'damm-Serie des Tagesspiegels mit Interesse und möchte aus den in Folge 6 der Serie angesprochenen "Visionen"  genau die herausgreifen, für die sich der Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf löblicherweise mal etwas weiter vorgewagt hat:

Jawoll - die Straßenbahn auf dem Mittelstreifen - so, wie sie bis 1954 in Form der beiden Straßenbahnlinien 76 und 79 und in Teilabschnitten auch der 51 dort störungsfrei und ungehindert entlangfuhren. Die genauen Hintergründe der damaligen Stillegung und die nachfolgende Umwandlung des durchgehend eigenen und zudem gärtnerisch gepflegten Bahnkörpers in einen Parkstreifen sind bis heute ziemlich rätselhaft. Man stelle sich vor: in West-Berlin waren Ende 1954 gerade mal 43.000 Pkw zugelassen - bei knapp 2,2 Mio Einwohnern! Wem sollte dieser Unfug dienen? Sollte damit "Weltstadtniveau" demonstriert werden? Sollte dem damals latent bestehenden West-Berliner Hinterhofkomplex ein kleines Ventil geöffnet werden - auch wenns nahezu niemandem nützte? Die Umstellung der Straßenbahn war ja keineswegs ein "Fortschritt", wie damals eine erschreckend unkritische Presse allenthalben herumposaunte, sondern konkret ein deutlicher Rückschritt: die tollen und überaus "flexiblen" Omnibusse mussten und müssen sich bis heute (trotz Busspur!) im Gegensatz zur Straßenbahn mit klar abgegrenztem Fahrweg den Verkehrsraum mit den übrigen Verkehrsteilnehmern teilen. Eine Steigerung des Fahrkomforts konnte für die Fahrgäste beim besten Willen nicht hergeleitet werden - im Gegenteil. Wer stehen mußte - und muß - hat oft genug Probleme, einen festen Halt zu bekommen. Bei Notbremsungen und hektischen Ausweichmanövern wegen dösiger Fußgänger oder rücksichtslosen Autofahrern gabs und gibts oft genug Stürze oder schmerzhafte Prellungen...

Warum also nicht wieder eine Straßenbahn (neudeutsch: "Tram...") in den Mittelstreifen? Der Ku'damm soll eine "Autostraße" sein, wo ein Schienenverkehrsmittel nicht hingehört? Verwechselt da der verehrte Redakteur nicht etwas? "Autostraße" ist eine Autobahn oder eine innerstädtische Schnellstraße - aber kein Boulevard, der der Ku'damm doch sooo gerne sein will!  Als Gegenleistung für die neue Straßenbahn, die selbstverständlich nur mit neuestem Wagenmaterial betrieben werden sollte, werden die Omnibuslinien stillgelegt und die ohnehin nur halbherzig freigehaltene Busspur dem übrigen Verkehr zur Verfügung gestellt. Wär' doch ein Deal? Ach so - die Parkplätze - Deutschlands heiligstes Gut...    Prinzipiell sind Schrägparktaschen auf dem Mittelstreifen einer Großstadtstraße ein Gefährdungsfaktor ersten Ranges - weil ja links rein- und rausrangiert wird, wo zudem meist auch schneller gefahren wird. Es gibt daher hierzulande nur sehr wenige Großstädte , wo auf einer Hauptverkehrsstraße (das ist der Ku'damm zweifelsohne - aber eben keine "Autostraße"!) derartige prinzipiell unfallträchtige Parkmanöver hingenommen werden. Das gibts eben nur in Berlin...

Wie wäre denn folgende Lösung: die Anrainer des Kurfürstendammes - seien es Grundstückseigentümer oder Geschäftsinhaber - tun sich zusammen und finanzieren und bauen eine unterirdische Parkanlage zwischen Leibnizstraße und Adenauerplatz, dort, wo der Parkdruck am höchsten ist, denn die Verlängerung der U 1 - so wünschenswert sie wäre - kommt ja wohl leider nicht mehr. 

So ein Unternehmen nennt man Public-Private-Partnership - kurz: PPP.  Eine solche unterirdische Parkanlage gibt es z.B. in Köln unter dem Kaiser-Wilhelm-Ring, seinerzeit in Verbindung mit einer U-Bahnstrecke gebaut, allerdings mit öffentlichen Mitteln. Die Parkplätze werden von einer Privatfirma betrieben.  In Südfrankreich (Montpellier) habe ich ähnliches gesehen - kilometerweite unterirdische Parkflächen! Dass die Finanzierung bei den Anliegern oder Geschäftsleuten angesiedelt wird, ist nur recht und billig, denn die schreien ja, wenn der oberirdische Straßenquerschnitt für andere Nutzungsarten in geänderter Form aufgeteilt wird und dabei Parkplätze wegfallen. Die Planungshoheit haben die Städte und nicht - wie gerne angenommen wird - die Anlieger. Die dürfen mitreden, etwa im Zuge von Planfeststellungsverfahren, aber alleine entscheiden dürfen sie nicht. Und wenn Parkraum einen derart sakrosankten Status hat, sollten diejenigen, die danach schreien, ihn auch finanzieren. Parkraumversorgung gehört jedenfalls nicht zu den Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge - das nur am Rande.

Wie könnte die Ku'damm-Straßenbahn hinfahren? Zumindest bis zum Ringbahnhof Halensee - dort bestehen zahlreiche Umsteigebeziehungen. Weiter Richtung Grunewald (Roseneck?) Wäre schön, kommt aber auf die Auslastung an. Außerdem kommen dann wiederum die ewig gleichen und unverändert dämlichen und abgegriffenen Argumente gegen Gleise (die in der Hubertusallee und Teplitzer Straße fahrbahnbündig liegen könnten) und gegen Fahrleitung und überhaupt...Als ob ein handelsüblicher Berliner DD-Bus quasi unsichtbar und unhörbar wäre.

In Richtung Mitte wäre natürlich die Tauentzienstraße und Kleiststraße und Abschwenken in die "Urania" bis zum Lützowplatz realistisch. Bei der Route entlang dem Landwehrkanal könnte wieder ein "Deal" gemacht werden: Keine  Busse mehr im Reichpietschufer/Lützowufer, dafür Straßenbahn über die Lützowstraße zur Potsdamer Str. und dort weiter Richtung Potsdamer Platz - Leipziger Str. - Alex. Bei geschickter Ampelschaltung und Abmarkierung einzelner Gleisbereiche könnte die Strecke Alex - Ku'damm/Uhlandstraße in der gleichen Fahrzeit  wie die U 2 abgedeckt werden. Genereller Vorteil: die z.Zt. stark belastete U 2 wird deutlich entlastet und eine Direktverbindung Ku'damm - Alex via Potsdamer Platz wäre für beide Geschäftszentren ein Riesenplus.

Anstelle der durchweg unkomfortablen und immer wieder vom übrigen Verkehrstrom behinderten Autobusse - und diesen ebenfalls behindernd (Haltestellen!!!) -  moderne Niederflurstraßenbahnen mit hohem Fahrkomfort und - dank weitgehend eigenem bzw. abgeschirmten Gleiskörper - angenehmes und weitgehend (Störungen gibts leider immer) störungsfreies Fahren. Der Fahrgast weiß es zu schätzen! Neue Straßenbahnstrecken haben in den meisten Städten in fast allen Fällen einen umgehenden Fahrgastzuwachs zur Folge. Höhere Bequemlichkeit und Fahrkomfort sowie höhere Pünktlichkeit dank weitgehender Trennung vom übrigen Verkehr - zumindest an den neuralgischen Punkten - werden vom Fahrgast durchaus honoriert. Man denke an die Neubaustrecken zum Alex: schnell und umsteigefrei (extrem wichtig!!!) ins Zentrum! Dazu alles auf Straßenniveau. Keine Treppenlauferei, Rennen durch endlose Gänge etc. - alles in einer Ebene. 

Letzter Punkt: Kosten? Wenns schön und edel gemacht werden soll -  warum nicht, man schaue nach Frankreich, wo seit 1985 sage und schreibe 22 Städte(!) die Straßenbahn als modernes Verkehrsmittel entdeckt haben - könnte der Abschnitt vom Bf. Halensee - Potsdamer Straße für ca. 100 - 120 Mio € zu haben sein. Dafür bekommt man heute gerade noch einen Kilometer U-Bahn (siehe U 5). Sollten sich - wie so oft - die Versorgungsbetriebe (weils gerade so passend ist) dranhängen, wirds natürlich teurer, das ist aber nicht der Straßenbahn zuzurechnen! Rechnet man anschließend noch die erheblichen Einspareffekte wegfallender bzw. um- oder abzuleitender Omnibuslinien gegen, kann sich das Ganze nach 10 - 12 Jahren rechnen - weil: höhere Umlaufgeschwindigkeit = Fahrgastzuwächse, da schnell und bequem - wie wärs, Herr Baustadtrat? Wo Berlin doch die neue "Elektropolis" werden soll (wovon ich leider bisher noch nicht viel merkte...)

Mit freundlichen Grüßen aus Köln, wo die Straßenbahn (in allen denkbaren Erscheinungsformen) nie zur Debatte stand - im Gegenteil....

Reinhard Schulz

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Reinhard Schulz

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