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Meinung: Liebe zur Klassik

Von Markus Hesselmann Irgendwann muss Schluss sein. Und jetzt ist Schluss.

Von Markus Hesselmann

Irgendwann muss Schluss sein. Und jetzt ist Schluss. Wir haben uns ja alle gefreut mit Senegal, Südkorea und vor allem natürlich mit den Türken. Das war pittoresk: bunte afrikanische Gewänder, knallrote Fahnen, knallrote Hemden; Rastafari, Yin und Yang, Halbmond und Stern. Die vielen Menschen in den Straßen von Dakar und Seoul, von Istanbul und Berlin. Doch jetzt wird Fußball gespielt. Großer Fußball von großen Fußballländern. Der dreimalige Weltmeister Deutschland trifft auf den viermaligen Weltmeister Brasilien. Wir freuen uns auf Ronaldo, Roberto Carlos und Rivaldo und ihre Attacken auf Oliver Kahn. Wir freuen uns auf die hohe brasilianische Fußballschule. Da können die Herren noch so arrogant auftreten und noch so perfide schauspielern. Wir wollen Brasilien sehen. Brasilien gegen Deutschland.

„Bei der WM kehrt Vernunft ein“, hat die spanische Zeitung „As“ nach dem Sieg der Deutschen im Halbfinale über Südkorea geschrieben. Da schwang Schadenfreude mit über die Niederlage jenes Landes, das mit ein bisschen Hilfe vom Schiedsrichter die Spanier aus der Weltmeisterschaft geworfen hatte. Doch es ist in anderem Sinne auch eine treffende Analyse: Viele Fußballfans haben jetzt genug von Favoritenstürzen und Überraschungserfolgen. Sie wollen zurück zu den Klassikern. Und davon hatten es nur zwei bis ins Halbfinale geschafft: Deutschland und Brasilien.

Bei der WM ist es doch wie im DFB-Pokal. Da freuen wir uns auch, wenn Bayern München in der ersten Runde gegen Vestenbergsgreuth rausfliegt. Dann erwischt es noch Dortmund und Leverkusen. Und wenn es ganz schlimm kommt auch noch Schalke. Der eine oder andere freut sich dann immer noch. Doch plötzlich dräut ein Finale zwischen Wolfsburg und Bochum. Und dann freut sich keiner mehr außer den paar Fans dieser Klubs. Wir anderen hätten dann doch lieber Bayern gegen Dortmund gesehen.

Auch für Rudi Völler und sein Team ist es besser, dass der Gegner Brasilien heißt. Endlich eine Aufgabe. Eine große Aufgabe, mit der die Mannschaft wächst. Noch weiter wächst. Denn die Deutschen sind ja jetzt schon weiter gekommen als es selbst Optimisten vor dieser Weltmeisterschaft zu prophezeien wagten. Doch die Gegner waren nun einmal nicht Argentinien, England oder Italien, sondern Saudi-Arabien, Irland, Kamerun, Paraguay, die USA und Südkorea. „Für die Deutschen fängt die WM jetzt erst an“, hat der Fußballweise Michel Platini nach dem Halbfinale gesagt. Denn jetzt können sie sich wirklich beweisen und etwas Großes schaffen. Bei einem Finalsieg gegen die Türkei hätten wieder alle gesagt, dass die Deutschen bei dieser WM keine Gegner hatten. Dass sie von der Gruppenauslosung bis zum Finale immer nur mit Glück vorankamen, weil ihnen das fein ausgeklügelte Finaltableau die schweren Gegner vom Hals hielt.

Bei einem Finalsieg gegen Brasilien wären die Deutschen wahre Weltmeister und Rudi Völler wäre ein echter Meistertrainer. Einer, der wie Beckenbauer als Spieler und als Trainer den allergrößten Erfolg feiern durfte. Teamchef Beckenbauer gegen Maradonas Argentinien. Teamchef Völler gegen Ronaldos Brasilien. Der Zufall eröffnet Völler nun sogar noch eine ganz besondere Gelegenheit: Noch nie hat eine deutsche Mannschaft bei einer WM gegen Brasilien gespielt. Und nun gleich ein Finale! Und nun gleich ein Sieg?

Doch das Schönste an diesem Finale ist, dass die Deutschen zwar ganz viel gewinnen, aber eigentlich so gut wie gar nichts verlieren können. Eine Finalniederlage gegen die Türkei wäre verheerend. Aufstrebende Fußballnation hin oder her. Ein dreimaliger Weltmeister darf in einem Finale nicht gegen eine Mannschaft verlieren, die sich vor der WM in Japan und Südkorea bislang nur einmal überhaupt für das Weltturnier qualifizieren konnte und auch auf europäischer Ebene bisher kaum in Erscheinung getreten ist. Eine Niederlage gegen einen krassen Außenseiter wäre kein guter Start für die Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, die am Sonntag mit dem Schlusspfiff in Yokohama beginnen. Eine Niederlage gegen das mächtige Brasilien wäre verkraftbar. Ein 0:5 muss es ja nun nicht gerade sein.

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