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Linke Gewalt: Anarchie und Terror

Die extreme Linke disqualifiziert ihren Protest gegen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung durch Gewalt. Dennoch sollte die Politik den breiten Widerstand ernst nehmen.

Da verletzt eine Bombe mehrere Polizisten, und auf linksextremistischen Debattierforen geht der alte Kampf um mehr oder weniger Radikalität in eine neue Runde. Einige schreiben, die RAF wäre „nie so weit“ gekommen, hätte sie so dumm gehandelt wie der „schwarze Block“ bei der Protestdemonstration am Wochenende in Berlin. Das alles zeigt nur eins: Der linksextreme Rand der Gesellschaft wird radikaler, er vergleicht seine Mittel mit denen der Terroristen der 70er Jahre.

Die Wortwahl derer, die sich zur autonomen Szene bekennen, zeigt deutlicher ihre Distanz zu dieser Gesellschaft als die trockene Feststellung des Berliner Innensenators Ehrhart Körting: „Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gegen staatliche Einrichtungen und Vertreter der staatlichen Gewalt ist gesunken.“ Sie wird noch weiter sinken. Das Jahr 2009 war in Berlin das Jahr der brennenden Autos. Im vergangenen Jahr hat eine zerfallene, aus vielen Einzelkämpfern und Kleinstgruppen bestehende radikale Szene in Berlin die Polizei vorgeführt: Hier werden so viele Autos abgefackelt wie wir wollen. Die Sprengstoffattacke vom Samstag könnte die strategische Verschärfung eines mit diffusen Begriffen begründeten Kampfes gegen „den Kapitalismus“ sein. Sie ist jedenfalls ein Angriff auf Polizisten als Vertreter des „Systems“.

Dass dieser Angriff bei einer ansonsten eher biederen Demonstration gegen die Sparbeschlüsse der Bundesregierung geschah, hat seine eigene Logik. Linksextreme, Kapitalismuskritiker, Heuschreckenhasser und Gegner der Gentrifizierung kämpfen seit Jahren für ihre schrumpfenden Freiräume in den großen Städten. Billige Altbauten, Kieze voller junger Leute mit Sinn für ein anarchistisches Leben – das macht einen wichtigen Teil der Attraktivität Berlins aus.

Die großstädtisch-spannenden Spielplätze für andere Lebensformen ziehen Leute mit Geld an – und schon geht es los: Wohnungen werden teuer, Geschäfte edler, Restaurants exklusiver, das Publikum touristischer, die Bewohnerschaft bürgerlicher – der Biomarkt als Symbol der Verbürgerlichung. Das ist die Gentrifizierung – und die Politik lässt sie als unvermeidlich geschehen. Die extremistischen Gegner dieser Entwicklung marschieren auch auf einer Demonstration unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ gegen die neuesten Sparbeschlüsse mit. Auf diese Weise können nur wenige Tage nach der Haushaltsklausur in Berlin und Stuttgart 40 000 Menschen mobilisiert werden. Denn ein Gefühl von Frust breitet sich in diesem Land aus: über die Verstaatlichung von Krisen, die mit wirtschaftlichem und wirtschaftspolitischen Versagen zu tun haben, mit Heuschrecken, die man zu lange einfach machen ließ.

Kann es sein, dass dieser Frust ein paar irre Extremisten dazu bringt, nun auf Angriffe auf den Staat und seine Repräsentanten zu setzen? Wahrscheinlich versuchen Polit-Extremisten, die sich entwickelnde Protestbewegung für ihre Ziele zu nutzen. Auch wenn unklar ist, ob die linksextreme Szene wirklich radikaler wird, sollte die Politik den breiten Protest ernst nehmen.

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