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Linke Gewalt in Berlin: Da braut sich was zusammen

Die Randale in Friedrichshain wirkt wie ein Echo der Vergangenheit - und ist heute so falsch wie vor zwanzig Jahren. Die Sorgen über steigende Wohnkosten sind real, aber die Zielgenauigkeit des Protestes ist gering - und vor allem ideologischer Nonsens.

Das stinkt gewaltig. Nicht nur in der Bar „Habana“, deren Besitzer Cemal Doganay vor 35 Jahren als Migrant nach Berlin kam und alleinerziehender Vater von zwei Kindern ist. Ausgerechnet er war am Wochenende für militante Linke die – so sagt man dort wohl – hässliche Fratze des Kapitalismus. In seine Bar und in drei andere Lokale in Friedrichshain, allesamt nicht hochpreisig, wurde übel riechende Buttersäure geschüttet, zudem sind die Scheiben Dutzender Autos zerschlagen. So sieht Protest gegen die angebliche Gentrifizierung und Yuppisierung der traditionellen Kieze aus – aus Sicht der „Autonomen Stinktiere“, wie sich die Attentäter nennen.

Die Randale wirkt wie ein Echo der Vergangenheit – als vor über 20 Jahren in Kreuzberg Restaurants verwüstet und Gastronomen vertrieben wurden, weil sie angeblich nicht dorthin passten. Das war damals so falsch wie heute; auch die ideologische Zielgenauigkeit ist ebenso gering. Angesichts der sozialen Probleme wirkt es absurd, in Friedrichshain, Kreuzberg oder Neukölln-Nord die bevorzugten Heimstätten der Wohlhabenden auszumachen. Diesem ideologischen Nonsens widerspricht nicht nur Neukölln-Bürgermeister Heinz Buschkowsky, der vor zunehmender Verelendung warnt.

Am besten also ignorieren und solch wirre Klassenkampflogik nicht aufwerten durch Beachtung? Doch Feuer, Steine, Scherben dienen zunehmend als Mittel des Protestes. Über hundert Autos wurden 2008 in Berlin angezündet, mitnichten alles sogenannte Nobelkarossen, sondern viele Kleinwagen. Seit der Kampagne gegen den Weltwirtschaftsgipfel 2007 ist der radikalen Linken eine bescheidene Renaissance gelungen. Ihre Themen der sozialen Verdrängung haben in Berlin einen politischen Resonanzraum gefunden, der sich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkte. Wer aber Mittelstandsfamilien zu bösen Yuppies erklärt, blendet aus, dass diese Kieze dringend Menschen brauchen, die von Arbeit und nicht von Sozialtransfers leben. Zudem sind in keiner deutschen Großstadt die Mieten so niedrig wie in Berlin.

Dennoch sind die Sorgen über steigende Wohnkosten in begehrten Innenstadtlagen real, auch die Verdrängung der alteingesessenen Bevölkerung ist nicht nur pure Phantasie. Im Prenzlauer Berg hat es einen großen Austausch der Bevölkerung gegeben. Verdrängung können auch Sanierungssatzungen oder Quartiersmanagement nicht ganz verhindern. Aber sie sorgen dafür, dass Mieter dieser Aufwertung nicht hilflos ausgesetzt sind.

Dieser Realität aber verweigert sich eine Linke, die sich mit Hausbesetzerpathos und Wagenburgromantik am autonomen Lagerfeuer wärmt. Sie hat mit dem Kampf gegen das Mediaspree-Projekt, der Bebauung eines der attraktivsten innenstädtischen Areale, ein zentrales Symbol gefunden und fühlt sich vom erfolgreichen Bürgerbegehren gegen die Pläne der Landesregierung bestärkt. Der rot-rote Senat wiederum hat es versäumt, die diffusen Veränderungsängste zu entkräften.

Die weitgehend befriedete 1.-Mai-Randale hat übersehen lassen, dass der Szene eine neue Generation nachgewachsen ist. Der Protest gegen die als ungerecht empfundene Weltwirtschaftsordnung und die Wut über Finanzjongleure, die auf Kosten der Steuerzahler und deren Arbeitsplätzen gerettet werden, ist eine explosive Mischung. Ende März werden Zehntausende in Berlin unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ demonstrieren, aufgerufen unter anderem von Attac, den Grünen und der Linkspartei – unter Autonomen wird bereits massiv mobilisiert.

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