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Linke in Europa: Zersplitterung macht schwach

Die Parteien links der Mitte schaffen es in Europa nicht, die Wirtschaftskrise zu nutzen.

Stell’ dir vor, es herrscht eine Krise, und kaum einer wählt links. So ungefähr lautet die EU-weite Bilanz nach der Europawahl. Zwischen Tallinn und Lissabon gehen Firmen pleite, brechen Arbeitsplätze weg, machen sich die Menschen Sorgen um ihre Zukunft. Eigentlich wäre es in dieser Situation nicht überraschend gewesen, wenn die Wähler ihr Heil bei den Parteien links von der Mitte gesucht hätten. Sie sind es schließlich, die den Staat bei der Rettung von Banken, Autobauern oder Zulieferern eher in die Pflicht nehmen wollen als das bürgerliche Lager. Bei dieser Europawahl ist das Pendel in der Krise allerdings nicht nach links ausgeschlagen – sondern in die andere Richtung.

Wenn Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland trotz der Stimmenverluste der Union einen deutlichen Wahlsieg gegen eine weiterhin schwächelnde SPD errang, so liegt dies im europäischen Trend. In Österreich musste die SPÖ, die in einer großen Koalition mit der Österreichischen Volkspartei regiert, das schlechteste Ergebnis bei einer landesweiten Wahl seit Ende des Krieges verzeichnen.

Fast überall blieben Sozialdemokraten und Sozialisten in der EU nur zweite Sieger: In Frankreich, wo die Sozialisten in der Opposition sind, konnten sie Präsident Nicolas Sarkozy und seine konservative Regierungspartei, die UMP, nicht gefährden. In Italien landete die Mitte-links-Opposition hinter Silvio Berlusconis „Volk der Freiheit“. Und in Großbritannien deutete sich eine krachende Niederlage für die regierende Labour Party von Gordon Brown an.

Es ist nicht mehr viel übrig geblieben von der Aufbruchstimmung der europäischen Sozialdemokraten, die noch vor zehn Jahren in ganz Europa zu spüren war. Tony Blair hatte seinen „Dritten Weg“ erfunden, die große Aussöhnung zwischen Markt und Staat. Sie erschloss der Labour Party neue Wähler in der Mitte, so wie dies auch Gerhard Schröder gelang – auch wenn der deutschen SPD die Marktfreundlichkeit von „New Labour“ immer suspekt war.

Doch dann passierten zwei Dinge: In Großbritannien zeigte sich, dass der „Dritte Weg“ nur so lange funktionieren konnte, wie die Wirtschaft boomte und satte staatliche Ausgabenprogramme die Bürger zufriedenstellen konnten. Und in Deutschland kam es auf dem Höhepunkt der Debatte um die „Agenda 2010“ zu einem Riss, der bis heute durch das linke Spektrum geht. Zersplitterung macht schwach. An dieser Krankheit leidet die Linke auch anderswo: in Italien und – besonders extrem – in Frankreich.

Die Parteien links der Mitte tun sich umso schwerer, als die Konservativen vielerorts schnell aus der Krise gelernt und den inneren Kompass umgestellt haben. Auch Regierungschefs aus dem bürgerlichen Lager haben kein großes Problem mehr damit, den Staat als obersten Retter ins Boot zu holen. Merkel hilft Opel, Sarkozy greift Peugeot und Renault unter die Arme – so viel Sozialdemokratie war bei den Konservativen noch nie. Und für die Sozialdemokraten stellt sich die Frage, was für sie da noch politisch übrig bleibt.

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