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Linke Vergangenheit: Links bleibt links

Von Platzeck zu Körting: Politische Resozialisierung braucht klare Maßstäbe.

Der deutsche Politbetrieb ist traditionell ein aufwendiges Resozialisierungsprogramm. Wieder und wieder ging es darum, Menschen ins Boot zu holen, die vorher lieber gegen den Strom geschwommen waren. Resozialisierung ist etwas, was die Demokratie schon immer gut leisten konnte. Nachdem Herakles im Wahn seine Frau und Kinder umgebracht hatte, lud ihn Theseus nach Athen ein. Ein Verrückter mehr oder weniger, lautete das Argument des Königs, macht den Kohl auch nicht fett.

Nach dem Ende des „Dritten Reichs“, nach dem Ende der Studentenrevolte, nach dem Ende der DDR: Immer wieder wurde eine ganze Generation in ein politisches System integriert, dem sie skeptisch gegenüberstand. Und machte der eine oder andere dieser Verrückten politisch groß Karriere, wurde das allgemein sogar als eindrucksvoller Reifeprozess bewundert.

Strukturell unterscheidet sich also die Wiedereingliederung ehemaliger DDR-Funktionäre ins politische Leben dieses Landes kaum von denen der Vergangenheit. Früher oder später landen alle, das zeigt sich im Rückblick, im politischen Mainstream. Es ist ein Prozess, der gern als aufklärerisch überhöht wird, in Wahrheit aber eine gesellschaftliche Belastung, ein retardierendes Moment darstellt: Wie schon bei den Grünen muss sich das Land nun wieder mit Fragen des gesunden Menschenverstands auseinandersetzen, zum Beispiel der, ob es richtig oder falsch ist, andere Menschen zu bespitzeln. Das ist Zeitverschwendung, aber angesichts der deutschen Geschichte kaum zu ändern.

Politische Resozialisierung gelingt jedoch nur, wenn die Maßstäbe klar sind, zu denen sie zu haben ist. Und davon kann derzeit nicht die Rede sein. Matthias Platzecks Anforderung an seine Koalitionsgenossen von der Linken scheint sich inzwischen darin zu erschöpfen, dass sie die historische Existenz der Stasi nicht leugnen.

Auch der Berliner Innensenator verlangt nicht viel. Ehrhart Körtings vermeintlich aggressives Wort von den Autonomen als „rot lackierten Faschisten“ ist keine Diffamierung der Autonomen, wie die Linke vermutet, sondern linke Dialektik: Linke, die Autos anzünden, sind Rechte; Rote können schließlich keine Faschisten sein. Körtings Bemerkung ist das Angebot an die Linke, im Namen des Antifaschismus gegen die Autonomen vorzugehen. Er biedert sich ihrem Denkmuster an.

Vor Jahren noch forderte Körtings Genosse Walter Momper von den Grünen, dass sie bereit sein müssten, „die notwendige repressive Seite von Sicherheit und Ordnung mitzutragen“. Vorher wollte er mit ihnen in Berlin keine Koalition eingehen. Heute bittet der Senator Linke-Abgeordnete, mit denen er bereits koaliert, vergeblich darum, sich von jenen militanten Autonomen zu distanzieren, die jede Nacht gegen „die repressive Seite“ des Staates vorgehen.

Maßstäbe aufrechterhalten kann nur, wer Maßstäbe hat und den Mut, sie durchzusetzen. Sonst werden sie von denen gesetzt, die noch immer andere haben.

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