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Linker Führungsstreit: Bartsch im Haifischbecken

Die linken Querelen erinnern merkwürdig an die ausgeprägte Lust der SPD, sich in Personalfragen zu verstricken. Die SPD hat es damit ins 20-Prozent-Ghetto gebracht. Die Linke, wenn sie so weitermacht, wird dahin nie kommen.

Es scheint, als sei er politisch tot, der Bundesgeschäftsführer der Linken, die vor zwanzig Jahren als PDS ihre Karriere in der Parteienlandschaft des vereinten Deutschland begonnen hat. Weil es aber im Konflikt des linken Führungspersonals um mehr geht als die Person Dietmar Bartsch und der wiederum nicht nur als Person zählt, sondern als Typus seiner Partei, ist das Ergebnis dieses Machtkampfs tatsächlich offen.

Ausgelöst hat ihn Oskar Lafontaine, der sich nach der Bundestagswahl jäh vom Fraktionsvorsitz verabschiedet hat. Eine nachvollziehbare Erklärung, die seiner Krebserkrankung, hat er erst geliefert, als die Verwirrung kaum mehr zu steigern war. Insofern ist Gregor Gysis Attacke auf angebliche Illoyalitäten des Bundesgeschäftsführers eine jener seltsamen Wirklichkeitsverdrehungen, zu denen linke Parteien eine ganz eigene Neigung haben. Öffentlich illoyal ist in diesem Spiel bisher nur einer, nämlich in unglaublicher Weise Gysi gegenüber Bartsch. Ansonsten türmen sich im aktuellen Führungskonflikt die Widersprüche einer unausgegorenen Ost-West-Partei auf, von denen alle Spitzenleute wissen, dass sie nicht mehr lange unter den Teppich gekehrt werden können.

Und deshalb trifft es Bartsch doch nicht ganz zufällig. Mehr als Gysi war dem Bundesgeschäftsführer klar, dass die nur mit der Galionsfigur Oskar Lafontaine endlich mögliche Verankerung im Westen auch einen Preis haben würde. Der westliche Aufstieg ging zulasten einer Parteiwerdung, deren Ziel die volle politische Partizipation der PDS/Linken ist, inklusive Regierungsbeteiligungen.

Der Start der rot-roten Brandenburger Koalition hat den Kontrast zwischen heftigen Beteiligungswünschen und alten PDS-Wirklichkeiten erst jüngst wieder grell ausgeleuchtet. Der „Typus Bartsch“, vormals SED, ohne persönliche Schuld, alt genug, um schon in der DDR tüchtig gelernt zu haben, jung genug, um sich zu wandeln, hat andere Ziele als viele Wessi-Linke, die erst in Lafontaines Schlepptau noch einmal ins Bühnenlicht geraten sind. Das ist der große mentale Unterschied in der gesamtdeutschen Linken: Die Bartschs wollen, endlich!, richtig mitmischen. Die Wessi-Linken wollen, wie immer!, recht behalten.

Über die Jahre hat diese Partei in Ostdeutschland stark gemacht, dass sie das Gefühl des latenten Ausgeschlossenseins aus einer westdeutsch dominierten politischen Öffentlichkeit ausdrücken konnte. Ihre zweite Stärke bezog sie aus dem Selbstverständnis, dabei einen in der Demokratie legitimen politischen Platz zu besetzen, nämlich den linken. Als in den westlichen Bundesländern der Eindruck um sich griff, dass die SPD diesen Platz preisgegeben hatte, war der gemeinsame west-östliche Moment da. Und mit Oskar Lafontaine, dem ehemaligen SPD-Chef, der ideale Frontmann.

Doch der Erfolg hat auch die Schwierigkeiten verdoppelt. Inhaltlich schwach war schon die Position der PDS: Ihr linker Fixstern war der alte bundesdeutsche Sozialstaat, dessen Segnungen das vereinte Deutschland nicht mehr erreicht haben. Ausdrücklich vertagt auf irgendwann wurde die Entwicklung realitätstauglicher Linkspositionen für das globalisierte Zeitalter, als Gysis bunte Truppen mit denen von Oskar vereint marschieren wollten. Das war geboten für den raschen Erfolg. Denn die Enttäuschung über die SPD war leichter in Wählerstimmen umzumünzen, je weniger die Hindernisse und Probleme thematisiert wurden, die aus der großen Volkspartei eine 23-Prozent-SPD gemacht haben.

Doch für die linken Parteien Europas gibt es eine gemeinsame Wahrheit: Globalisierung und Demografie haben den Sozialstaat so unter Druck gebracht, dass sein Gerechtigkeitsversprechen nicht mehr glaubhaft ist – und mit ihm alle politischen Kräfte, für die Gerechtigkeit vorn steht. Die linken Querelen erinnern merkwürdig an die ausgeprägte Lust der SPD, sich in Personalfragen zu verstricken: Es wäre anstrengender gewesen, das dicke Brett Globalisierung zu bohren. Die SPD hat es damit ins 20-Prozent-Ghetto gebracht. Die Linke, wenn sie so weitermacht, wird dahin nie kommen.

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