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Meinung: Links um, marsch!

Über die sozialen und sachlichen Fundamente für eine veränderte Ausrichtung der SPD

Zum Dank für das miserable Ergebnis bei der Landtagswahl an der Saar hat der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering seinen dortigen Genossen nachgerufen, das komme davon: Wer den faulen Mittelkurs steuere zwischen einer halbherzigen Unterstützung von Schröder und einer halbseidenen Anlehnung an Lafontaine, der falle ganz durch. Doch hinter der gemeinsamen Ablehnung des faulen Mittelwegs verbergen sich solche – und solche, also auch jene, die behaupten: Nur eine echte „linke“ Opposition gegen „Hartz“ hätte das Desaster abwenden können. Der eigentliche Fehler – fürs Land, für die SPD – sei es, dass es hier zu Lande keine „wirkliche“ Linke mehr gebe.

Brauchen wir sie – wieder? Spontan geantwortet: Aber gewiss doch! Doch dann fangen die Fragen erst an. Wovon reden wir – von der Antwort auf ein real existierendes „linkes“ Wählerpotenzial, von einer schärferen Diskussion in der SPD, von einer ganz anderen Politik? Geht es um Rhetorik oder um Richtung? Oder um jenes reizvolle Gesellschaftsspiel aus den gehobenen Kreisen, in denen man zwar tapfer CDU wählte, aber ansonsten der Meinung war, dass „richtige“ Grüne natürlich in den Parlamenten vertreten sein müssten?

Fragt man nach dem Wählerpotenzial, so steht seit Jahrzehnten fest: Die SPD verfügt in keinem ihrer klassischen und schrumpfenden Wählermilieus mehr über eine Mehrheit, auch nicht mehr bei den „wirklichen“ Arbeitern. Dieser sozialstrukturell verfestigte, lang anhaltende Verlust der kulturellen Hegemonie der SPD wenigstens in ihren Stamm-Milieus lässt sich mit einer populistischen Reaktion auf die allenfalls mittelfristige Hartz-Aufregung niemals korrigieren. Der kurzfristige Teilgewinn in einem Milieu würde durch den Abbau in allen anderen sofort übertroffen.

Fragen wir nach dem Parteiensystem, so erkennen wir sofort zweierlei: Auch die Union ist in Teilen eine „sozialdemokratische“ Partei – und sie laviert ähnlich ängstlich wie die SPD. Nur merkt man es bei der Opposition noch nicht so deutlich wie bei einer Regierungspartei. Aber das Hartz-Problem hat nichts mit rechts oder links zu tun, sondern mit den Integrationsproblemen jeder Volkspartei. Links um, marsch – das bedeutete also nicht etwa „mehr SPD“, sondern nur „weniger Volkspartei“.

Rein sachlich aber hat die Ursache des ganzen Hartz-Dramas, nämlich die Überforderung der sozialen Sicherungssysteme, erst recht wenig mit rechts oder links zu tun, dafür aber viel mit der alten, oft gemeinsam gepflegten Illusion, man könne Staatsausgaben durch Gelddrucken (siehe die Inflationen der 70er Jahre) finanzieren oder durch die Verschuldung zu Lasten künftiger, auch noch schrumpfender Generationen; oder man könne im Tarifkartell zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften die Löhne tapfer steigern und die Leute, die deshalb aus dem Arbeitsmarkt fallen, gemeinsam „beim Stingl“ abliefern, Rechnung an die Sozialkasse. Diese Fehler müssen jetzt korrigiert werden. Dabei verbergen sich, wie bei der Bewältigung der Wiedervereinigung, hinter den unterschiedlichen Etiketten (rechts, links, ein bisschen mehr links) allenfalls geringfügig voneinander abweichende Positionsvarianten.

Natürlich brauchen wir eine lebendige Linke – so, wie wir eine aufgeklärt-konservative Partei (Anzeige heute: so lala) oder eine richtig liberale Partei brauchen (derzeit Fehlanzeige!) oder knackfrische Grüne. Aber was heißt das? Nur eine breitere, vitalere Diskussion in der SPD (wer könnte sie führen, mit welchen Argumenten?) – oder eine ganz andere Politik? Und wie sähe die aus – und hätte sie Aussicht auf Erfolg, bei welchen Wählern und gegenüber welchen Problemen?

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